Die Metamorphose von Davos

  21.01.2025 Region Unterfreiamt

«Behind the Scenes»: Eine Reportage vom WEF in Davos, wo die Firma Richnerstutz AG der grösste externe Player ist

Die höchstgelegene Stadt der Alpen verändert während des WEF (vom 20. bis 24. Januar) ihr Gesicht. Mittendrin in Davos ist die Freiämter Firma Richnerstutz AG, die den globalen Anlass entscheidend mitprägt. André Richner gewährt einen exklusiven Einblick.

Stefan Sprenger

Niemand darf rein. «Es ist zu eng, zu hektisch. Die Arbeiter drinnen würden sich alle nerven, wenn ich jetzt mit der Gruppe reingehe», sagt André Richner. Er gewährt dem Journalisten aus der Heimat dennoch einen kurzen Einblick bei «Neom». Das Projekt der Regierung Saudi-Arabiens kostet über 400 Milliarden Franken. Eine Siedlung mitten in der Wüste, «Revolution der Zivilisation» nennen sie das. Logisch, dass «Neom» am WEF vertreten ist. Zwei Schuhläden, ein Kleiderladen und ein Souvenirshop sind ausgezogen während des WEF. Sie machen Platz für den Temporärbau von «Neom». Um die Räumlichkeiten zu verbinden, werden gar Wände rausgerissen. Innen wird alles mit Holz eingekleidet, Dutzende Schreiner werken, die Richnerstutz AG organisiert alles. Fotografieren ist – wie in allen Räumlichkeiten während des WEF – strikt verboten. Es ist imposant und ein wenig wahnsinnig, was hier abgeht. «Unglaublich, oder?», fragt Richner. Der Auftritt von «Neom» am WEF wird vier Tage benutzt und dann wieder abgebaut.

100 Projekte

Der Stress ist allgegenwärtig am letzten Donnerstag, 16. Januar, in Davos. Einerseits auf der Strasse. Dort donnert ein Lastwagen nach dem anderen durch die Stadt. Überall Menschen in Arbeitskleidern, die in eiligen Schritten gehen. Baukräne, meterhohe Kartonschachteln, dazu Polizisten, Schaulustige, Touristen. Die Beschaulichkeit des Bündner Ferienorts ist in diesen Tagen nicht vorhanden. Alles muss schnell gehen, der Zeitdruck ist riesig. Es sind nur noch wenige Tage bis zum Start des World Economic Forum (WEF) in Davos. Ein Weltereignis. Mittendrin: Die Richnerstutz AG aus Villmergen, die rund 100 Projekte umsetzt, davon 22 Umnutzungen von bestehenden Lokalitäten (von insgesamt 166).

Migrolino-Chef und YB-Besitzer

André Richner zieht gemütlich mit 21 Menschen durch die Promenadenstrasse in Davos. Er hat Kunden, Freunde und sogar die Konkurrenz eingeladen zum exklusiven Event namens «Behind the Scenes», hinter den Kulissen des WEF. Mit dabei ist zum Beispiel der Chef von Migrolino, der Besitzer der grössten Druckerei in Deutschland oder Hans-Ueli «Jöggi» Rihs, Besitzer des Fussballclubs Young Boys Bern. Bevor die Führung startet, erzählt Richner seinen Gästen, wie es dazu kam, dass die Freiämter Firma heute vom WEF nicht mehr wegzudenken ist (siehe Kasten). Die Richnerstutz AG ist heute der grosse Temporärbau-Umsetzer und Locationanbieter in Davos. Die Freiämter Firma ist insgesamt der zweitgrösste Player am gesamten WEF. Nur die «PublicisLive» ist noch grösser. Am WEF, das auch als teuerste Gewerbeausstellung der Welt gilt, läuft vieles über Richnerstutz AG. Dort präsentieren sich Länder und milliardenschwere Konzerne. Hunderte Events und Referate finden statt, manchmal ist der Zugang dazu öffentlich, manchmal nicht.

Ukrainer passt die Schrift nicht

Richner führt die Gruppe ins Ukraine-Haus, wo während des WEF Präsident Wolodimir Selenski zu Gast sein wird. Die Stimmung: bestens und gestresst. Der Kurator der Ukrainer hat an jenem Donnerstagmorgen alle Stoffproduktionen neu bestellt, weil ihm die (von ihm selbst gelieferte) Schrift doch nicht passte. «Machen wir natürlich», sagt Matthias Schneider mit entspannter Ruhe. Lachend fügt er an: «Es ist wohl einfacher, ein Haus am Zürichsee zu bauen als einen WEF-Temporärbau.» Schneider ist der Projektleiter der Richnerstutz AG. Er weiss über alles Bescheid, wenn es ums WEF geht. Bei ihm läuft alles zusammen.

Bis zu 280 Mitarbeitende hat die Richnerstutz in diesen Tagen in Davos, die für das WEF arbeiten. Nicht eingerechnet sind diejenigen, die am Firmenstandort in Villmergen mitarbeiten, 250 sind Freelancer, 30 von Richnerstutz. Es gibt jeden Tag 280 Mittagessen, total 3000 Übernachtungen in Davos, Wäscheservice für alle Mitarbeitenden – und so weiter. Die Villmerger Firma macht am WEF über einen Viertel ihres Jahresumsatzes. «Ein dickes Ding», sagt Schneider und spricht auch von grossen Herausforderungen und dem «Klumpenrisiko» dieses Grossevents. Wenn das WEF nicht mehr in Davos wäre, hat die Richnerstutz ein Problem. Dieser Umstand wäre für die Firma nicht lebensbedrohlich, «aber es wäre schade für das, was man aufgebaut hat». André Richner sagt: «Wir sichern uns ab, wo immer möglich. Ich bin mir aber sicher und habe meine Quellen, dass das WEF nicht von Davos weg will. Bis 2027 ist der Anlass bewilligt.»

Der Soldat in der Tiefgarage

Viele Firmen würden gerne beim WEF mitmischen und mitbauen. Nur ganz wenige können es. Die Firma Richnerstutz AG als der grösste Werbetechnik-Betrieb des Landes kann das. Für die Mächtigen der Welt legt man sich mächtig ins Zeug. «Dort, wo für andere Firmen die Luft dünn wird, machen wir weiter», sagt der 42-jährige Chris Mühlemann, der seit über zwei Jahren Geschäftsführer der Richnerstutz AG ist. Er ist beeindruckt von der Riesenorganisation. «Aber dennoch klappt alles fast reibungslos. Es ist perfekt organisiert. Ich bin selbst jedes Mal wieder erstaunt, was hier oben geschieht.»

Die Gruppe läuft in die Tiefgarage des «Rätia Center». Ein Mann mit Cap und dicker Brille schaut auf einen Bildschirm. Neben ihm ein Typ mit pinkem Stirnband, Weste und grünem Skianzug. Er sieht ein wenig aus wie ein Soldat, ohne Waffe, dafür mit bester Laune. Hinter ihnen ein Plakat mit der Aufschrift: «Ruhe. Hier ist ein Arbeitsplatz.» In der Tiefgarage ist so etwas wie eine Kommandozentrale der Richnerstutz AG. Auf dem Bildschirm sind die verschiedenen Whatsapp-Chats zu sehen. Dort schreiben die Mitarbeiter ihre offenen Fragen und Wünsche rein. Von der Tiefgarage aus werden dann, Mithilfe des Materiallagers, alle Probleme gelöst. Oft fahren die Kuriere mit dem Lastenfahrrad an den jeweiligen Standort, holen oder bringen die gewünschten Werkzeuge und Artikel. «Kommunikation ist Geschwindigkeit», sagt Schneider.

Wenn das WEF vorüber ist, wird so viel wie möglich eingelagert – und wenn es geht wiederverwendet. «Wir versuchen, so nachhaltig wie möglich zu sein. Benutzen so oft es geht die Bahn, nutzen Synergien, investieren in Räumlichkeiten», erklärt Schneider weiter. Immerhin. Dennoch sind Temporärbauten einfach sehr schwierig in Sachen Nachhaltigkeit.

Aus «Röteli» wird Indonesien

Die allermeisten Ladenbesitzer in Davos vermieten während des WEF ihre Räumlichkeiten – und verdienen natürlich Geld damit. Die Richnerstutz AG baut jene Lokale dann nach den Wünschen des Kunden um. Aus dem Laden, der den Bündner «Röteli»-Likör verkauft, wird nun das «Ministry of Investment» aus Indonesien. Aus dem Möbelgeschäft «Casty» wird das Ukraine-Haus. Aus dem Restaurant «Stau» wird das «Belgium House». Und so weiter. Die Bauten sind sehr nobel. Hier präsentieren sich die grossen Firmen auf der Weltbühne. Deshalb gilt: höher, exklusiver, teurer. Die temporären Bauprojekte kosten mehrere Hunderttausend Franken bis über eine Million Franken. Wer am WEF präsent ist, der gilt etwas.

Richnerstutz AG macht alles möglich. Grossformat. Signaletik. Werbetechnik. Raumgestaltung. Um alles umzusetzen, hat die Firma mittlerweile zwei Tochterfirmen, die Netvico (Technologie) und die India Zelt (Zelte und Eventlogistik). Dazu die enge Verbindung zu Davos Works Brand GmbH.

«Dachschaden» ist von Vorteil

Michael Frey, Geschäftsführer der India Zelt, steht vor dem riesigen temporären Gebäude vor dem Hotel Steigenberger. Ein absolutes Highlight der Führung. «Eigentlich ist das gar nicht möglich, das hierhin zu stellen», sagt er. 70 Sattelschlepper waren nötig, um das ganze Material (total 140 Tonnen) nach Davos zu transportieren. «Wenig Zeit. Wenig Platz. Man muss einen kleinen Dachschaden haben, um das durchzuziehen», sagt er lachend. Doch es wird alles rechtzeitig fertig sein und der US-Megakonzern Dow Jones wird für die vier WEF-Tage dort einziehen.

«Wir realisieren Ideen, die Menschen bewegen», ist ein Slogan der Richnerstutz AG. Am WEF passt aber ein anderer Firmen-Spruch besser: «Nichts für schwache Nerven». André Richner muss lachen: «Hier oben in Davos habe ich schon manch graues Haar gekriegt. Es ist wirklich nichts für schwache Nerven. Aber es lohnt sich.»

Die Führung ist zu Ende. «Jöggi» Rihs, Unternehmer und Besitzer der Young Boys, sagt, was alle denken: «Faszinierend. Das ist einfach beeindruckend, was hier abgeht.» Die WEF-Metamorphose von Davos mit solch tiefen Einblicken mitzuerleben, macht Eindruck. In diesem Jahr gingen die Aufbauarbeiten der Richnerstutz AG bestens über die Bühne. «Smooth», wie Richner sagt. Wenige Tage nach dem WEF ist alles abgebaut, Davos wieder der Ferienort in den Bergen. «Kaum ist die Abrechnung gemacht, kommen die ersten Aufträge für das WEF 2026 rein», sagt Richner. Und der Wahnsinn geht von vorne los.


Der Inder

Die Richnerstutz AG ist vom WEF nicht mehr wegzudenken. Wieso? Angefangen hat die Verbindung im Jahr 2009. Der indische Geschäftsmann Amit Shahi, der öffentlich kaum in Erscheinung tritt und den André Richner stets als «den Inder» bezeichnet, war damals mit seinem Auftritt am WEF nicht zufrieden – und gelangte an Richner. Er ist schnell begeistert von der Zusammenarbeit mit der Richnerstutz AG, «weil ihm die Qualität passte», meint Richner. Jeder Wunsch wurde erfüllt. Der Inder begann damals damit, eigens für das WEF Lokalitäten umzubauen und zu vermieten. Sein Partner war stets die Richnerstutz AG. Gemeinsam ist man gewachsen. André Richner ist heute Verwaltungsratspräsident (VRP) der Davos Works Brand GmbH. Eigentümer ist Amit Shahi. Beim Unternehmen in Villmergen ist Richner noch als VRP und für einzelne operative Projekte tätig. Die Richnerstutz AG ist zusammen mit Davos Works Brand heute der grösste Temporärbau-Umsetzer am WEF, der grösste Locationanbieter am WEF und der grösste gewerkübergreifende Generalunternehmer. --spr


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