Zurück zu den Wurzeln

  19.06.2020 Schule

Hubert Anderhub hört als Murianer Gesamtschulleiter auf

Er war zuerst lange Lehrer, dann Stufenleiter, dann Gesamtschulleiter. Ende Schuljahr tritt Hubert Anderhub zurück und wird wieder Lehrer. «Schon als ich Gesamtschulleiter wurde, wusste ich, dass es mich zurück ins Klassenzimmer zieht.» Jetzt sei der richtige Zeitpunkt dafür, sagt Anderhub.

Annemarie Keusch

Eigentlich wollte er die Schule Muri verlassen. «Nach über 35 Jahren wäre es Zeit gewesen», sagt Hubert Anderhub und lacht. 25 Jahre lang war er Lehrer, die letzten zehn Gesamtschulleiter. Nun bleibt er also doch, nicht als Gesamtschulleiter, sondern als Lehrer. «Ich habe mich dazu bewegt, hierzubleiben, obwohl ich eigentlich noch eine andere Schule kennenlernen wollte.»

Nicht einfach, abzuschalten

Es ist die Aufgabe, die Anderhub in Muri bleiben lässt. Es ist auch der Luxus des kurzen Arbeitswegs. Den Luxus, aufs Velo steigen zu können, um zur Arbeit zu fahren. Den Luxus, die Schule schon in- und auswendig zu kennen. Und den Luxus, das Pensum reduzieren zu können. Hubert Anderhub übernimmt keine Klasse, er wird Springer. «Wo es mich braucht, unterrichte ich, auf allen Stufen», sagt er. Vom Kindergarten bis zur Bezirksschule, fällt eine Lehrperson aus, springt er ein. Er freue sich auf diese abwechslungsreiche Tätigkeit. «Das Telefon kann um 6.30 Uhr klingeln und eine Stunde später muss ich vor einer Klasse stehen.»

Und auch seine zweite Stärke will der Murianer nach seinem Rücktritt als Gesamtschulleiter wieder mehr ausspielen. Als Ergänzung zur Schulsozialarbeit wird er Schülerinnen und Schüler unterstützen, die schulisch in schwierigen Situationen stecken. Damit kommt Anderhub total auf ein Pensum von 70 Prozent. «Das ist gut so. Ich will mehr Zeit haben.» Als Schulleiter sei es nicht einfach gewesen, abends oder an Wochenenden abzuschalten. «Das zehrt an den Kräften.» Hubert Anderhub will mehr freie Zeit. Mehr Zeit für seine Hobbys, für sich und seine Familie.

Aber er blickt mit grosser Zufriedenheit auf die zehn Jahre als Murianer Gesamtschulleiter zurück, auch wenn er nie gedacht hätte, dass er dieses Amt überhaupt einmal übernehmen würde.


Die Schule wesentlich mitgeprägt

Seit 1985 ist Hubert Anderhub an der Schule Muri tätig – zuletzt zehn Jahre als Gesamtschulleiter

Reallehrer zu sein, sei seine Berufung. Das sagt Hubert Anderhub. Trotzdem wechselte er vom Lehrer zum Gesamtschulleiter. «Schicksal», sagt Anderhub zu seinem beruflichen Werdegang. Per Ende Schuljahr hört der 58-Jährige als Schulleiter auf und geht zurück ans Lehrerpult.

Annemarie Keusch

Es könne auch mit seinem Helfersyndrom zu tun haben, meint Hubert Anderhub. Nur Stoff vermitteln, das ist nicht seine Interpretation des Lehrerberufs. «Oder ich war einfach schon vor 30 Jahren kein typischer Lehrer. Das haben auch immer alle gesagt.» Das Menschliche, das Erzieherische – diese Aspekte machten den Beruf für Hubert Anderhub spannend. «Entsprechend hat mich die Bez und die Sek nie gereizt», sagt er heute. Reallehrer, das sei seine Berufung. «Das Beste aus den Schülerinnen und Schülern rausholen, das spornt mich an.»

Was tönt, als ginge Anderhub nach x Jahren als Reallehrer in Pension, ist in Tat und Wahrheit anders. Reallehrer war er, 25 Jahre lang. Dann folgte der Wechsel auf die administrative Seite. «Zufall», nennt es Anderhub heute. Persönliche Probleme des damaligen Rektors führten dazu, dass drei Lehrer ad interim die Leitung der Sek und Real übernahmen. «Eigentlich war mein Anteil damals klein.» Fünf Jahre später aber zogen sich die anderen beiden zurück und Anderhub wurde Stufenleiter, die Funktion, die den Rektor ablöste.

Als Primarlehrer einst angefangen

Schon zu dieser Zeit hatte Anderhub eine abwechslungsreiche Lehrerkarriere hinter sich. Für diese und den Wunsch, Lehrer zu werden, strengte er sich als Kind besonders an, um von der Sek in die Bez zu wechseln. «Meine eigenen schulischen Erlebnisse prägten mich auch als Schulleiter», sagt Anderhub dazu. Angefangen hat er als Primarlehrer, eigentlich ohne Ambitionen, in die Oberstufe zu wechseln. Weil ihm das langsame Tempo der Primarstufe aber weniger zusagte, als gedacht, wechselte er. Immer waren das auch Wechsel der Schulhäuser – von Badweiher über Kloster, Bachmatten, Roos und am Schluss als Schulleiter wieder Bachmatten.

Keiner kennt die Schule Muri folglich besser als Hubert Anderhub. Als dann 2010 die bisherige Schulleiterin erkrankte, war es die logische Folge, dass er als Stellvertreter ihr Amt übernahm. «Das war nie mein Ziel. Ich bin quasi in diese Tätigkeit hineingewachsen», sagt er. Ganz zufällig war es aber trotzdem nicht, war Anderhub vorher schon einer, der Verantwortung übernahm und Zusätzliches leistete – in der Jugendkommission, als OK-Präsident der Jugendfeste.

Gepflegter Rasen anstatt Tobel

Die Hauptverantwortung in ganz verschiedenen Bereichen rund um die Schule Muri zu tragen, das Personal zu führen, mit dem Globalbudget zu operieren, mit vielen Parteien – der Schulpflege, dem Gemeinderat, dem Kanton, der Jugendpolizei, um nur einige zu nennen. Die Abwechslung machte den Job als Gesamtschulleiter für Hubert Anderhub äusserst spannend. Viele Neuerungen und Projekte hat er lanciert oder umgesetzt. War zu Beginn seiner Zeit die Festigung der Schulleitung noch ein zentrales Thema, beschäftigte ihn später die Umstellung auf sechs Primar- und drei Oberstufenjahre oder die Neuressourcierung, bei der Muri eine kantonale Pilotgemeinde war und entsprechend bestens aufgestellt ist.

Dass früher alles besser gewesen sei, dagegen wehrt sich Anderhub. «Die Voraussetzungen, vor allem für die Schüler, sind schon anders», sagt er. Die Gesellschaft präge. War früher das Tobel der Spielort für die Kinder, ist dieser heute eher virtueller Natur oder ein gepflegter Fussballrasen. «Viele Kinder können als Folge der Annehmlichkeiten für ihre Ziele nicht mehr so kämpfen, wie es früher der Fall war.» Und auch die Hektik, die die ganze Gesellschaft präge, wirke sich auf die Schülerinnen und Schüler aus.

Abschied vor einem Jahr angekündigt

1200 Schülerinnen und Schüler, gegen 140 Lehrpersonen. Die Schule Muri ist ein grösseres KMU. Und laut Gesamtschulleiter Anderhub steht sie ganz gut da. «Bei den Eltern und bei den Behörden geniessen wir grosse Akzeptanz. Es wird geschätzt, was an der Schule Muri geleistet wird.» Und Anderhub betont, damit alle Involvierten und keinesfalls nur seine Arbeit einzuschliessen. Entsprechend fällt ihm der Abschied nicht leicht. «Die Neuressourcierung und der Lehrplan 21 sind bestens aufgegleist. Für mich stimmt es jetzt.» Vor einem Jahr hat er seinen Abschied als Gesamtschulleiter angekündigt.

Er freut sich darauf, als Springer wieder zu unterrichten, vom Kindergarten bis zur Bezirksschule. Und er versichert: «Ich habe keine Mühe, mich dem neuen Schulleiter unterzuordnen.» 70 Prozent beträgt sein Pensum total, als Springer und als zur Schulsozialarbeit ergänzende Unterstützung für Kinder in schwierigen schulischen Situationen. «Ich freue mich darauf.»

Er freue sich aber auch auf mehr Freizeit nach den Sommerferien, mehr Reisen in seine zweite Heimat und die Heimat seiner Frau, nach Ungarn, mehr Zeit für Familie, Haus und Garten, mehr Zeit fürs Tennis, «mehr Zeit zum Leben».


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