Weitere Hürde genommen
28.09.2021 FahrwangenFahrwangen: Ausserordentliche «Gmeind» zum Baukredit Realisierung SeReal-Standort
Ein grosser finanzieller Brocken, der da auf Fahrwangen zukommt. 13,3 Millionen Franken soll der Um- und Ausbau der bestehenden Schulanlage zum neuen SeReal-Standort kosten. Trotzdem stimmt eine grosse Mehrheit dem Baukredit zu.
Die Stimmung in der Mehrzweckhalle war angespannt an diesem Abend. Von den 1449 Stimmberechtigten sind 88 gekommen, um sich über den grössten Kredit der Gemeindegeschichte zu informieren sowie darüber abzustimmen. Und sie wurden nicht enttäuscht: Der Gesamtgemeinderat hat sich mächtig ins Zeug gelegt, um alle Punkte dieses Projekts detailliert und gut verständlich zu erklären.
Jahrzehntelange Oberstufendiskussion
Zu Beginn erläuterte Gemeindeammann Patrick Fischer in einem kurzen Rückblick, wie sich die Oberstufensituation im Oberen Seetal entwickelt hat. «Bereits in den 90er-Jahren gab es unter den Gemeinden Bettwil, Sarmenstorf, Meisterschwanden und Fahrwangen erste Versuche, die Oberstufe zusammenzuführen. Dieses Projekt wurde damals von Sarmenstorf abgelehnt und nicht weiter verfolgt.»
2007 dann die Kleeblatt-Bildungsreform. Ein erneuter Versuch, doch keine Gemeinde wollte auf ihren Oberstufenstandort verzichten. «Das Konstrukt Kreisschule, wie wir sie heute haben, hat genügt», erklärt Fischer. Auf Druck der Kreisschulpflege, welche festgestellt hat, dass drei Standorte suboptimal seien, setzte man sich 2013 erneut gemeinsam an einen Tisch. «Leider hat dieser Prozess zu lange gedauert. Denn kurze Zeit später kam der Entscheid des Regierungsrates, dass eine der drei Bezirksschulen im Seetal bis 2022 schliessen müsse», so der Gemeindeammann weiter. Da weder Seon, Seengen noch Fahrwangen auf ihren Standort verzichten wollten, musste der Regierungsrat entscheiden. «Dass es uns traf, ist für mich bis heute unverständlich», sagt Fischer.
2018 dann der politische Entscheid, dass Fahrwangen zum neuen SeReal-Standort werden soll. Die Hauptgründe hierfür lagen auf der Hand: Ein leeres Bezirksschulhaus in Fahrwangen gegenüber Schulraumknappheit an den Primarschulen von Meisterschwanden und Sarmenstorf. Nachdem eine Machbarkeitsstudie zum Ausbau positiv verlaufen ist, konnte der Gemeinderat mit der Ausarbeitung des Projekts SeReal starten. Das Referendum zum Planungskredit brachte eine dreimonatige Verzögerung mit sich. Doch seit Januar 2021 wurde das Bauprojekt intensiv weiterentwickelt. Die Details dazu wurden den Anwesenden anhand der Baupläne umfassend erklärt.
«Der Lehrplan 21 und die Umstellung von einem Bezirks- auf einen Se-Real-Standort bringen veränderte Raumbedürfnisse mit sich», macht Gemeinderätin Simone Diem deutlich. So werden in Zukunft an der Se-Real neun Klassen unterrichtet, in der Bezirksschule waren es nur sechs. Neue Fächer wie NaTech (Physik, Chemie, Biologie), WAH (Wirtschaft, Arbeit, Haushalt) oder TTG (Textiles und Technisches Gestalten) benötigen spezielle Einrichtungen wie Laborbereiche, Lüftungen, Lager, Theorieräume, räumliche Abtrennungen und so weiter. «Diese Vorgaben sind zwingend und teuer», ergänzt sie.
Langfristige Finanzplanung
Wie soll das finanzschwache Fahrwangen diese Investition von 13,3 Millionen Franken stemmen? «Hierfür ist eine langfristige Finanzplanung notwendig», sagt Gemeinderat Silvan Zülle. «Denn auch ohne SeReal kämen in den nächsten Jahren Instandsetzungsinvestitionen von total 5,1 Millionen für das Bezirks- sowie das Varielschulhaus auf uns zu.» Man habe betreffend Finanzierung Vorabklärungen mit dem Kanton getroffen. Es bestehe kein unmittelbarer Handlungsbedarf und es entstehe auch kein Bilanzfehlbetrag. Die Pro-Kopf-Verschuldung steige zwar bis 2025 auf 8200 Franken, dies sei hoch, aber nicht kritisch. «Ab 2026 können wir mit dem SeReal-Standort Schulgelderträge von 800 000 bis 900 000 Franken jährlich generieren. Dies sind rund 15 Steuerprozente. So nimmt die Verschuldung kontinuierlich ab», versichert Gemeinderat Christian Tschannen. «Ohne SeReal hätten wir ab 2026 hohe Aufwandüberschüsse und das Gemeindevermögen wäre ab 2030 aufgebraucht», fügt er an. Auch Andreas Obrecht von der Finanzkommission ist überzeugt vom Projekt und empfiehlt den Anwesenden, das Geld in die Hand zu nehmen. «Es ist besser, als wenn wir es nicht machen würden», lässt er durchblicken.
Besorgte und befürwortende Stimmen
Die anschliessende Diskussionsrunde zeigte, dass es schon noch offene Fragen gab. So wollte ein Bürger wissen, für wie lange der Vertrag mit den anderen Gemeinden abgeschlossen wurde und was passiere, wenn eine Gemeinde sich zurückziehe. Dazu Simone Diem: «Alle Gemeinden haben dem Vertrag bereits zugestimmt. Zum ersten Mal kündbar ist er in zehn Jahren, danach gilt eine Kündigungsfrist von fünf Jahren. Eine Gemeinde alleine wird es nicht schaffen, einen eigenen Standort aufzubauen, da es mindestens sechs Klassen braucht.»
Ein anderer Fahrwanger fragte, ob man angeschaut habe, wann es eine neue Turnhalle brauche. «Dies ist tatsächlich ein Flaschenhals. Anfangs SeReal wird die Auslastung bei 90 Prozent liegen, in rund 10 Jahren werden die Hallen komplett ausgelastet sein. Dann werden wir uns diese Frage stellen müssen», so Diem weiter.
Jemand anderes wollte wissen, ob eine andere Nutzung des Schulhauses geprüft wurde. «Ja, auch dieses Szenario haben wir angeschaut. Da das Bezirksschulhaus aber in der öffentlichen Zone steht, kann es nicht einfach anderweitig, zum Beispiel für Wohnraum, genutzt werden», so Vizeammann Silvan Zülle.
Besorgte Stimmen gab es rund ums Thema Finanzierung und Schulgelder. Dem Gemeinderat wurde vorgeworfen, nicht mit korrekten Zahlen gerechnet zu haben. Dem widersprach Patrick Fischer vehement: «Man kann die Zahlen immer so oder so auslegen. Wichtig zu wissen ist, dass wir nur gemeinsam eine Chance haben. Bei einem Nein heute wird es in absehbarer Zeit keine Oberstufe im Oberen Seetal mehr geben.» Und Simone Diem fügte an: «Drei Finanzverwalter haben das Projekt durchgerechnet. Sie sind alle zum gleichen Resultat gekommen. Mit der SeReal gehts rauf, ohne SeReal gehts runter.»
Schliesslich meldeten sich auch noch Befürworter des Vorhabens zu Wort. Eine Mutter, die seit einem Jahr in Fahrwangen wohnt, sagte, dass es seit ihrem Zuzug nur Schliessungen gegeben habe: Zuerst ein Restaurant, dann der Coop, jetzt die Bezirksschule. Fahrwangen müsse aufpassen, dass es nicht zu einem Schlafdorf werde. Mit einem attraktiven Schulstandort könnten Familien angezogen werden. Dem stimmte ein anderer Bürger zu und sagte: «Habt Mut und zeigt Stärke.»
Nach all diesen Voten stellte ein Bürger den Antrag, dass der Vorschlag des Gemeinderates zurückgewiesen und der Vertrag mit längeren Kündigungsfristen überarbeitet werden soll. Dieser Rückweisungsantrag wurde vom Souverän grossmehrheitlich abgelehnt. Dem eigentlichen Antrag über den Baukredit für die Realisierung des SeReal-Standortes in Höhe von 13,3 Millionen wurde mit 78 Ja- zu 10 Nein-Stimmen deutlich zugestimmt. Dieser Beschluss untersteht dem fakultativen Referendum. Fahrwangen hat an diesem Abend Mut und Stärke bewiesen. Die Nachbargemeinden dürfte es freuen. --nl