Von Bochum nach Villmergen
13.11.2020 FussballDavid Pallas hat eine bewegende Karriere hinter sich – seine Bilanz als Trainer des FC Wohlen II
In seiner fussballerischen Hochzeit kickte David Pallas in der Deutschen Bundesliga. Weil er seinem Spielerberater blind vertraute, versandete die grosse Karriere. In Villmergen fand er eine neue Heimat. Und trainiert jetzt die Talente des FC Wohlen.
Stefan Sprenger
30 000 Zuschauer im Olympiastadion in Berlin. Der VfL Bochum tritt in der Hauptstadt an. In einem spektakulären Bundesliga-Spiel steht es 3:3. Es läuft die 87. Spielminute. David Pallas holt sich die zweite Gelbe Karte und fliegt vom Platz. An diesem 11. November im Jahr 2006 endet die Bundesligakarriere von David Pallas in jener Sekunde, als er den Platz verlässt.
Bochum-Trainer Marcel Koller verbannt David Pallas danach auf die Bank. Ein anderer Spieler wird fortan auf der Position des Aussenverteidigers eingesetzt. Den Bochumern läuft es fortan besser und Pallas kommt in der ganzen Saison nicht mehr zum Einsatz.
David Pallas ist damals 26 Jahre jung. Eigentlich das beste Alter für einen Fussballer. Sein Vertrag läuft im Sommer 2007 aus. Doch er findet keinen neuen Verein. Auch als die neue Saison startet, ist Pallas vereinslos. «Ich habe meinem Spielerberater blind vertraut», sagt er heute. «Aber im Nachhinein ist man immer schlauer.»
«Schattenseite des Fussballs»
Pallas kündigt seinem Berater, versucht auf eigene Faust einen neuen Verein zu finden. Er kriegt zwar Angebote, aber die konnte er nicht annehmen. «Ich war kein teurer Spieler. Aber für 3000 Franken als Familienvater zu spielen, kam für mich nicht infrage. Es gab Vereine, die meine Situation ausnutzen wollten.» Pallas zieht die Reissleine und gibt seinen Rücktritt als Profisportler bekannt. «Ärgerlich, dass es so enden musste. Es war die Schattenseite des Fussballs. Mich trifft sicherlich eine Mitschuld, ich hätte nicht blind vertrauen sollen.»
Schon 1996 hat er die ersten Einsätze bei den Profis des FC Zürich in der Nationalliga A. 2001 wird er Stammspieler beim FCZ und wechselt 2004 zum FC Thun. Insgesamt absolviert er 116 Spiele in der höchsten Schweizer Liga. Just in dem Moment, als Thun im Jahr 2005 sensationellerweise in der Champions League beispielsweise gegen Arsenal spielt, klopft der VfL Bochum aus der 2. Bundesliga an. «Diese Chance musste ich ergreifen», so Pallas heute.
Der Plan ging zuerst auf. Der 1,69 Meter grosse Schweizer mit spanischen Wurzeln spielt beim Ruhrpott-Klub, wird dann von Trainer Marcel Koller auf die Bank verbannt und schafft in der Rückrunde 2005/06 den Sprung zurück in die Stammelf. Mit der Rückennummer 36 bestreitet er 21 Spiele in der 2. Bundesliga – und feiert am Ende der Saison den Aufstieg in die 1. Bundesliga. Dort ist er acht Mal auf dem Platz, bis zu diesem 11. November 2006 – und zum unerwarteten Ende seiner Karriere. «Ich würde alles wieder so machen», sagt Pallas. Ausser: «Ich würde den Dreijahresvertrag unterzeichnen, den mir Bochum angeboten hat.» Er entschied sich nur für einen Zweijahresvertrag und das war am Ende auch ein Mitgrund, wieso der Verein nicht mehr auf ihn setzte.
Er wohnt und arbeitet in Villmergen
«Es kam alles anders als erhofft», meint der heute 40-Jährige. Am frühzeitigen Karriereende hat er lange zu beissen. «Eigentlich bis ich 35 Jahre alt war und wusste, dass es jetzt sowieso vorbei wäre.» Nach Bochum und der erfolglosen Vereinssuche buchstabiert er zurück und macht eine Pause. Pallas, ein begnadeter Salsa-Tänzer, setzt auf den Beruf. Neun Jahre lang ist er bei der UBS tätig – in Altstetten, Dietikon, Birmenstorf und schliesslich in Wohlen. 2008 zieht er mit seiner Frau und dem kleinen Sohn nach Villmergen.
Der Fussball kehrt zurück, jedoch auf Amateurniveau. 2009 führt er den FC Langenthal als Spielertrainer. Später ist er beim FC Oftringen und beim FC Ibach engagiert. 2015 hängt er die Fussballschuhe definitiv an den Nagel, trainiert Ibach in der 2. Liga interregional aber weiter.
2018 – mittlerweile ist David Pallas seit zehn Jahren in Villmergen zu Hause – folgt ein Jahr der vielen Wechsel. Auf die Scheidung mit der Frau folgt der berufliche Wechsel. Die Raiffeisenbank Villmergen sucht einen Kundenberater. Pallas kriegt die Stelle, wo er auch heute noch arbeitet.
«Tabelle ist zweitrangig»
Und es ging nicht lange, bis der FC Wohlen ihm ein Angebot als Juniorentrainer machte. Juniorenchef Gregi Trovato fragte ihn an, das U15-Team zu übernehmen. «Damals passte es aber noch nicht», sagt Pallas. Im Sommer dieses Jahres sass er wieder mit den Verantwortlichen des FC Wohlen zusammen. Das Team in der 2. Liga brauchte einen neuen Trainer. Jetzt passt es. «Eine interessante Aufgabe in einem tollen und engagierten Verein», so Pallas. In der Vorrunde der 2.-Liga-Saison holte das junge Team fünf Siege, fünf Niederlagen und zwei Unentschieden. Fast schon traditionell hat die Mannschaft Mühe mit der Konstanz. «Ziel ist es, Spieler für die 1. Mannschaft rauszubringen. Die Tabelle ist zweitrangig, aber wenn man vorne dabei ist, ist vieles einfacher und befreiter.» Das sei auch das Ziel für die Rückrunde im nächsten Jahr. Fussballerisch habe das Team «Riesenfortschritte» gemacht. Aber: «Im mentalen Bereich müssen wir noch arbeiten. Die Jungs müssen noch hungriger werden, noch konstanter.»
Hier im Freiamt ist er heimisch geworden. In Villmergen geht er einkaufen und isst gerne in den Restaurants im Dorf. Sein Sohn hat hier viele Freunde. Und auch er hat sich bestens eingelebt. Quasi sein Nachbar in Villmergen ist der frühere Profifussballer Luca Iodice. Wie es der Zufall so will, spielten die beiden gemeinsam beim FC Zürich. Der Sohn von Pallas ist gleich alt wie der Sohn von Iodice. «Wir sehen uns ab und zu», meint Pallas.
Wie weiter im Sommer?
Beim FC Wohlen fühlt er sich wohl. Unterschrieben hat er aber nur für ein Jahr. «Das mache ich immer so, bislang gingen meine Engagements dann immer über mehrere Jahre.» Auch in Wohlen? «Wenn der Verein zufrieden ist mit mir, dann könnte ich mir das sehr gut vorstellen.»
Im Leben von David Pallas kam vieles anders als erhofft. In der Gegenwart ist er aber glücklich und zufrieden. Im Freiamt hat der frühere Bundesliga-Kicker eine neue Heimat gefunden. Und das wird wohl auch so bleiben.