Mehr als eine Mahlzeit

  29.07.2022 Auw

«Aus der Küche»: Livia Killer aus Auw

Livia Killer leitet die Küche im Maria-Bernarda-Heim in Auw. Hier kocht sie mit Herz und Leidenschaft.

«Man muss seine Ansprüche an die Kochkunst als Heimköchin teilweise schon hinten anstellen», ist Livia Killer überzeugt. Auf der Speisekarte stehen oft Kartoffeln, weil die Bewohnerinnen und Bewohner die am liebsten jeden Tag essen würden. Statt Sushi gibt es Blut- und Leberwurst, weil viele alte Menschen das lieben. Und auf dem Teller 20 Gramm weniger Fleisch als die Norm, dafür in Topqualität, das bringe erst noch ein Erfolgserlebnis: «Ich habe alles aufgegessen!» Den meisten sei es nämlich unangenehm, die Hälfte auf dem Teller liegen zu lassen, weil sie es nicht mögen oder es einfach zu viel ist. Für Livia Killer ist das grösste Lob, wenn es beim Essen im Speisesaal ruhig wird. «Dann weiss ich immer, dass es schmeckt.» --sus


Püriert, aber mit viel Herz

Sommerserie «Aus der Küche»: Im Maria-Bernarda-Heim in Auw geht es um mehr als nur ums Kochen

365 Tage wird im Maria-Bernarda-Heim gekocht. Eine Pause gibt es nicht, denn für das leibliche Wohl der 45Bewohner und der 15Mitarbeitenden will gesorgt sein. Daneben wird noch für die Schulen Auw, Mühlau und Beinwil der Mittagstisch gemacht. Livia Killer, Leiterin Gastronomie, und ihre rechte Hand Glenys Abt sorgen dafür, dass alles funktioniert.

Susanne Schild

Freier Blick auf die Rigi und die Alpen, auf sattgrüne Weiden und die idyllische Freiämter Landschaft. Der Speisesaal des Maria-Bernarda-Heims bietet eine Aussicht wie in einem Luxushotel. Auch die Küche ist first class. Zwar wird hier nicht die klassische Gourmetküche praktiziert. Aber, was viel wichtiger ist, hier «menschelt» es.

Und das fängt schon am Morgen an. Dann fragen Küchenchefin Livia Killer und ihre Stellvertreterin Glenys Abt die Bewohnerinnen und Bewohner persönlich, was sie zum Mittagessen haben möchten. «Hier im Maria-Bernarda-Heim machen das wir und nicht das Personal oder die Zivildienstleistenden. Wir kennen jeden unserer Bewohner persönlich. Wir wissen, was sie gernhaben», sagt Livia Killer.

Lieber Brot und Konfi als Spiegelei mit Speck

Neben Livia Killer und Glenys Abt arbeiten noch elf Angestellte und ein Lehrling in der Küche. Jeweils dienstags helfen zwei Heimbewohnerinnen beim Rüsten.

Der Alltag beginnt morgens um 6.30 Uhr, wenn der Dorfbäcker das noch warme Brot bringt. «Das ganze Haus duftet danach», sagt Livia Killer. «Dann wird das Frühstück parat gemacht. Vom Bichermüesli über Wurst, Käse und Konfi bis hin zum Spiegelei, wir erfüllen fast jeden Wunsch», sagt Livia Killer. Früher habe es nur Brot und Konfi, die übrigens von den Bewohnerinnen und Bewohnern selbst hergestellt wird, gegeben. «Eben so, wie es die älteren Menschen von zu Hause gewohnt sind.» Auch heute noch sei Brot und Konfi am beliebtesten. «Eierspeisen werden weniger gewünscht», bestätigt Glenys Abt.

Halbgöttinnen in Weiss

Mit dem Mittagessen geht es weiter. Neben dem Essen für die Bewohnerinnen und Bewohner sorgt die Küche des Maria-Bernarda-Heims auch noch für den Mittagstisch der Schulen Auw, Mühlau und Beinwil.

Punkt 11.45 Uhr wird im Speisesaal geläutet, danach gebetet und dann kommen Livia Killer und Glenys Abt mit dem Küchenwagen, fahren von Tisch zu Tisch und teilen die Suppe aus. «‹Jetzt kommt der Koch persönlich›, kriegen wir dann oft zu hören.» Das sei jedes Mal ein sehr schönes Erlebnis. «Denn viele schätzen das sehr. Für sie ist es immer noch etwas Besonderes, wenn die Köchin persönlich an den Tisch kommt», sagt Killer. «Für viele sind wir immer noch die ‹Halbgöttinnen in Weiss›», bestätigt Abt. Ausserdem dürfe man nie vergessen, dass für viele Bewohner das Essen das Highlight des Tages sei. «Das merkt man auch daran, dass wir das Hauptthema sind, wenn uns einmal ein Gericht in die Hose geht», sagen beide gleichzeitig und lachen. Es sei nicht immer einfach, es allen recht zu machen. «Zwei Drittel der Bewohnenden sind Frauen. Diese haben alle zu Hause jahrzehntelang gekocht. Da hat jede ihr eigenes Rezept», erklärt Killer. «Ja, das sieht man am besten beim Gericht ‹Schnitz und drunder›. Da meint jede, ihr Rezept sei das beste. Da haben wir einfach keine Chance», meint Glenys Abt mit einem Augenzwinkern.

Weder vegan noch vegetarisch

Neben dem Kochen muss viel geplant werden: Einkauf, Speiseplan und Wochenhit. «Der Wochenhit ist immer etwas Spezielles, beispielsweise Rösti und Bratwurst, Lasagne oder Spaghetti bolognese», erklärt Killer. Das würden alle besonders gerne haben. «Nach vegetarischen oder gar veganen Gerichten wird überhaupt nicht gefragt», sagt Glenys Abt. «Man isst so, wie man es gewohnt ist», ist auch Livia Killer überzeugt. Es sei eine Generationenfrage und auch der Unterschied zwischen Land- und Stadtbevölkerung sei spürbar. «Doch das wird sich sicherlich ändern», ist die Küchenchefin überzeugt.

Man sei, was den Speiseplan anbelangt, sehr flexibel. «Das funktioniert aber nur, da wir eine relativ kleine Institution sind. Bei uns geht es sehr familiär zu.» Dankbar sind beide auch, dass sie im Budget frei sind. «So können wir gute Qualität aus der Region einkaufen», erklärt Killer. «Unsere Bewohner legen darauf weniger Wert. Doch uns ist das wichtig», betont Glenys Abt. Ausserdem kauft man jedes Jahr drei Biorinder aus dem Dorf. «Beim Metzger lassen wir die Tiere dann zu allem verarbeiten. Brätkügeli, Fleischkäse und oder zu ganzen Stücken.»

Fünf Kilogramm Kartoffeln pro Mahlzeit

«Obwohl jeder so viel essen kann, wie er will, sind die Portionen eher klein. Wir rechnen beispielsweise mit 80 Gramm pro Bewohner», erklärt Killer. Deshalb sei man froh, beim regionalen Metzger extra kleine Bratwürste oder ein kleineres Cordon bleu bestellen zu können. «Das sieht einfach schöner aus, als wenn man eine halbe Bratwurst auf dem Teller hat.»

Pro Mahlzeit werden rund 4 Kilogramm Gemüse, 1,5Kilogramm Teigwaren, 5 Kilogramm Kartoffeln und 5Kilogramm Fleisch verarbeitet. «Im Alter wird das Essen schwieriger. Viele können nur mehr pürierte Kost zu sich nehmen», sagt Livia Killer.

Wichtig sei auch, seine eigenen Kochbedürfnisse zurückzuschrauben. «Alles muss sehr weich gekocht sein, darf nicht zu scharf gewürzt werden», weiss Glenys Abt. «Einmal habe ich es mit selbst gemachten Ravioli versucht. Das Urteil war fatal. Sie wollen einfach lieber Dosenravioli. Das muss man akzeptieren. Obwohl mir da als Köchin schon das Herz blutet.»

Die Küchentür ist immer offen

Livia Killer und Glenys Abt lieben ihren Beruf. «Er ist abwechslungsreich und sehr kreativ», sind sie sich einig.

Köchin in einem Alterswohnheim zu sein, sei nicht vergleichbar mit der Arbeit in einer Gourmetküche. «Dort ist die hohe Kunst des Kochens nicht nur ein Symbol für Luxus und Dekadenz. Sie ist eine wirkliche Kunst, ein Prozess der Veredelung von Nahrung, die den Geschmackssinn des Menschen verwöhnt», sagt Killer.

Sie selbst hat jahrelang in solch einer gearbeitet. «Den Druck und die immens schlechten Arbeitszeiten brauche ich nicht mehr. Hier im Maria-Bernarda-Heim fühle ich mich wohl. Ich ziehe meine Befriedigung hier aus anderen Dingen. Hier bin ich für die Menschen da, nicht für das Gericht.»


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