Kein Konsens in Sicht

  08.03.2022 Muri

Weiterhin ein Verein oder bald eine Stiftung? Es geht um die Zukunft des Murimoos

Die IG Zukunft Murimoos will den Verein beibehalten. Der Vereinsvorstand will die Rechtsform in eine Stiftung ändern. Die Fronten sind ziemlich verhärtet.

Annemarie Keusch

In welche Richtung der Entscheid gehen wird, wollen die Vorstandsmitglieder nicht mutmassen. Auch Astrid Gebert von der IG Zukunft Murimoos wagt keine Prognose. Noch bis morgen können die Mitglieder abstimmen, dann wird ein Notar auszählen. «Wir hoffen, dass bald wieder Ruhe einkehrt im Murimoos», sagt Gino Fiorentin, Mitglied des Vereinsvorstandes.

Dass dem nicht sofort nach Bekanntgebung der Abstimmungsresultate so sein dürfte, kündigt Astrid Gebert an. «Fällt das Resultat für uns positiv aus, arbeiten wird weiter aktiv mit. Und wenn sich die Mehrheit für eine Stiftung ausspricht? Ich kann nicht sagen, ob wir dann weiterkämpfen würden. Einfach locker lassen würden wir wohl nicht.» Sie und die anderen IG-Mitglieder hoffen, dass die Rechtsformänderung abgelehnt wird, «zugunsten des Murimoos». Auf das Gegenteil hoffen Gino Fiorentin und Vereinspräsidentin Heidi Schmid.

Die Vorwürfe, die die IG Zukunft Murimoos an den Vereinsvorstand richtet, sind vielseitig und happig. «Zensur» ist eines der Wörter, die Astrid Gebert nennt. Der Vorstand und der Geschäftsführer Michael Dubach halten dagegen: «Was die Mitglieder der IG Zukunft Murimoos bieten, ist schlichtweg schlechter Stil und entbehrt jeglicher Grundlage.»


Gegenteiliger ging kaum

An der schriftlichen GV des Vereins Murimoos wird über die Auflösung des Vereins entschieden

Für den Vorstand des Vereins Murimoos ist es die beste Lösung. Die Liegenschaften in eine Stiftung und den operativen Betrieb in eine gemeinnützige AG zu bringen. Dagegen regt sich seit Wochen und Monaten Widerstand. Die IG Zukunft Murimoos hat sich formiert und will den Verein beibehalten.

Annemarie Keusch

«Es ist nicht einfach.» Vorstandsmitglied Gino Fiorentin sagt diesen Satz mehrmals. Auch Präsidentin Heidi Schmid wählt ähnliche Worte. «Egal, was wir sagen oder machen, es wird ins Negative gedreht», sagt Fiorentin. Die IG Zukunft Murimoos ist gegen die Auf lösung des Vereins, macht Ängste geltend, dass Landstücke oder Gebäude verkauft würden, dass der Bioladen zugeht. «Das stimmt nicht. Es wird mit Unwahrheiten mobilisiert», sagt Heidi Schmid. Jede gemachte Aussage gegen sie verwendet. «Wir sind immer in der Defensive.» Die beiden, aber auch Geschäftsführer Michael Dubach, sprechen von haltlosen Anschuldigungen.

Schriftliche Versammlung

Nun entscheiden die 348 Mitglieder, ob das Murimoos weiterhin als Verein geführt wird. Wiederum erfolgt dies auf schriftlichem Weg, obwohl es wieder möglich wäre, sich für Versammlungen zu treffen. «Wir wollen so viele miteinbeziehen wie möglich. Wenn 20 an einer physischen Versammlung teilnehmen, aber 130 schriftlich ihre Meinung kundtun, dann wählen wir Zweiteres», sagt Gino Fiorentin. Zudem sei das Murimoos ein Verein, der sich nicht auf die Region beschränke. «Unsere Mitglieder sind auf die ganze Schweiz verteilt, es sind auch viele ältere Leute dabei, die nach wie vor Respekt haben, sich mit dem Virus anzustecken. All dem wollen wir Rechnung tragen.»

Ganz anders sieht dies Astrid Gebert von der IG Zukunft Murimoos. «Wir wollen endlich eine Diskussion, einander in die Augen sehen können, Fragen stellen. Das geht nicht bei einer schriftlichen Versammlung oder bei einer Infoveranstaltung per Videotelefonie», sagt sie. Dass der Vorstand entscheide, ob die Versammlung physisch oder schriftlich durchgeführt werde, das könne nicht akzeptiert werden.

Warten auf Aufnahme in Verein

Dass keine neuen Mitglieder im Verein aufgenommen werden und dass bisherige Mitglieder ausgeschlossen wurden, ist ein weiterer Vorwurf, den die IG Zukunft Murimoos an den Vereinsvorstand richtet. Astrid Gebert steht selber seit einigen Monaten auf der Liste jener, die in den Verein aufgenommen werden wollen. «Es ist eine eigenartige Auslegung eines Vereins, wenn keine Mitglieder aufgenommen werden», sagt sie. Davon, dass wegen des Betreuungsgesetzes beispielsweise Gewerbler, die für das Murimoos arbeiten, nicht auch Mitglieder sein dürfen, habe sie noch nie etwas gehört. «Der Vorstand will einfach den Verein runterfahren, ohne je mit den Mitgliedern darüber gesprochen zu haben.»

Dagegen wehren sich Fiorentin und Schmid. Neue Mitglieder während des Prozesses der Rechtsformänderung aufzunehmen, mache wenig Sinn. «Und gemäss Betreuungsverordnung ist es nicht möglich, dass Lieferanten und Auftragnehmer Vereinsmitglieder sind. Es heisst, Mitarbeitende der Einrichtung und von ihr Beauftragte dürfen der Trägerschaft nicht angehören», erklärt Präsidentin Heidi Schmid. Dadurch werde verhindert, dass sich Lieferanten oder Mitarbeitende als Teil der Trägerschaft aus dem Betrieb bevorteilen. «Deshalb mussten wir einige Mitglieder informieren, dass sie nicht mehr Teil des Vereins sein können oder sie als Vereinsmitglied keine Aufträge mehr übernehmen könnten», führt Schmid aus. Dies zu tun, sei in den früheren Jahren versäumt worden und «hat nichts mit der möglichen Auflösung des Vereins zu tun. Diese Anpassung erfolgte 2019/2020.»

Kein Land verkaufen

Darüber, dass ihnen die IG Zukunft Murimoos vorwirft, Ländereien und Gebäude verkaufen zu wollen, sind Gino Fiorentin und Heidi Schmid sehr betroffen. «Damit würde sich das Murimoos die eigene Grundlage entziehen», sagt Fiorentin. Dass der Vorstand den Antrag von Fritz und Vreni Schmied zur Annahme empfiehlt, sei doch Zeichen genug. Schmied war einst selber Direktor im Murimoos und will, dass festgehalten wird, dass kein Landverkauf möglich wird. «Ein sachlicher Antrag, der in unserem Interesse ist, darum unterstützen wir ihn», sagt Präsidentin Heidi Schmid. Dass ihnen vorgeworfen würde, Land verkaufen zu wollen, sei «absurd». «Im Gegenteil, wir sind an mehr Land interessiert, bewirtschaften vorher verpachtete Flächen wieder selber», betont Geschäftsführer Michael Dubach.

«Immerhin diesen Punkt haben sie aufgenommen», kommentiert Gebert. Die IG habe seit Beginn der Diskussionen betont, dass festgehalten werden müsse, dass kein Land verkauft werden darf.

Vorstand wird Stiftungsrat

Der Antrag von Schmied ist einer, über den im Rahmen der GV abgestimmt wird. Sieben weitere von Josef Angehrn, Josef Boutellier, Paul Egli, Josef Fischer, Gerhard Huwiler, Eva Kollmann und Thomas Kull sind zu einem zusammengefasst – der Antrag zur Rechtsform sei zurückzuweisen und der Vorstand sei mit der Prüfung alternativer Umstrukturierungsmöglichkeiten zu beauftragen. Diese acht Anträge sind nicht die einzigen, die eingingen. Von zirka 47 schreibt Astrid Gebert von der IG Zukunft Murimoos. «Nicht alle Themen liegen in der Kompetenz der Generalversammlung», sagt Gino Fiorentin. Komme hinzu, dass es nicht darum gehe, über Einzelheiten zu entscheiden, sondern darüber, ob man den Verein in eine Stiftung umwandeln wolle oder nicht.

Anders sieht es Astrid Gebert. Sie spricht von Zensur. Abänderungs-, Ordnungsanträge seien eingereicht worden. «Fast alle wurden zensuriert.» Auch eine Sonderprüfung sei verlangt worden, um abzuklären, wie viel Geld bisher für die Rechtsformänderung ausgegeben worden ist. «Wir fragen uns, weshalb der Vorstand Angst vor einer solchen Frage hat», führt sie aus.

Auch dass vorgeschlagen wird, dass die jetzigen Vorstandsmitglieder die ersten Stiftungsräte werden, ist der IG ein Dorn im Auge. «Stiftungsräte sollten an der Generalversammlung bestimmt werden», sagt Astrid Gebert. Was der Vorstand im letzten Jahr angerichtet habe, lasse nicht zu, dass die gleichen Mitglieder Stiftungsräte werden würden. Fiorentin relativiert. «Es geht um den Wissenstransfer und um Kontinuität.»

Es stehen hohe Investitionen an

Für Gino Fiorentin und Heidi Schmid ist klar, den Betrieb durch einen Verein zu führen, sei nicht mehr der richtige Weg. «Das Metier ist komplexer geworden. Wir sind ein Verein mit 15 Millionen Franken Umsatz, ein Betrieb, der über zehn Berufe vereint», begründet Gino Fiorentin. Das Murimoos brauche Stabilität und diese sei mit einer Stiftung, einer AG im operativen Bereich und einem Förderverein für die Verankerung in der Bevölkerung gegeben. «Wenn 20 Leute an einer GV dabei sind, können aktuell sechs beispielsweise die Statuten verändern. Das geht nicht mehr.» Ein weiteres Argument seien die bevorstehenden Investitionen. Von 40 Millionen Franken, die etwa in den nächsten zehn Jahren in die Sanierung der Wohnhäuser und weitere Infrastruktur investiert werden müssen, ist die Rede. «Eine Stiftung ist stabiler. Entsprechend wäre es einfacher, finanzielle Mittel zu beschaffen», sagt Fiorentin.

Die IG Zukunft Murimoos sieht das anders. «Mit einem Verein ist die Verankerung in der Bevölkerung breiter», sagt Astrid Gebert. Ein Verein sei zudem einfacher zu führen und viel flexibler.

«Aus dem Nichts», sagt Heidi Schmid. Dass sich die IG Zukunft Murimoos formierte, sei überraschend gekommen. «Seit ich dabei bin, gab es nie grosse Diskussionen an der GV, nie einen Antrag», sagt Gino Fiorentin. Zudem sei die Rechtsformänderung schon vor mehreren Jahren angekündigt worden.

Gegenwind habe sich an der ersten ausserordentlichen GV angekündigt, an der wegen zu wenigen Teilnehmenden nicht über die Rechtsformänderung entschieden wurde. «Wir konnten damals gar nicht anders, als die Versammlung ohne grosse Informationen und Diskussionen wieder zu schliessen», betont Heidi Schmid. «An dieser GV fragten wir die Anwesenden, ob die Infos aus der Infoveranstaltung einen Monat später nochmals gewünscht würden. Dies wurde verneint.» Entstanden sei nun eine «Desavouierung». Mitarbeitende würden auf dem Gelände angesprochen, auch Kundinnen und Kunden, Lieferantinnen und Lieferanten. «Schlechter Stil», kommentiert Gino Fiorentin.

Treffen des Vorstands und der IG noch diese Woche

Der Vorstand und die IG trafen sich im Dezember, noch diese Woche soll ein weiterer Austausch erfolgen. Zwischenzeitlich seien seitens der IG verschiedene Gesprächstermine abgesagt oder verschoben worden. «Wir sind sehr gerne bereit, mit ihnen sachliche Themen zu diskutieren», betont Gino Fiorentin.

Dass sie sehr gerne zu Gesprächen bereit wären, sagt auch Astrid Gebert. «Seit Oktober suchen wir andauernd den Kontakt zum Vorstand, wollen diskutieren», hält sie fest. Es sei der Vorstand, der abblocke. Und auf dem Gelände Mitarbeitende, Kunden oder Lieferanten angesprochen hätten IG-Mitglieder nie. «Ich wüsste nicht, wer oder wann.»


Die Geschichte

Schon seit mehreren Jahren beschäftigen sich der Vorstand und die Geschäftsführung damit, ob das Vereinsmodell für das Murimoos weiterhin das richtige sei. Im Sommer letzten Jahres fanden dazu eine Infoveranstaltung und eine ausserordentliche Generalversammlung statt. Weil an beiden Anlässen nur rund 20 Personen teilnahmen, entschied der Vorstand, eine zweite ausserordentliche Generalversammlung durchzuführen – und zwar schriftlich. Mit 130 Abstimmenden wurde das Quorum klar erfüllt. Bei 79 Jagegenüber 45 Neinstimmen bei 6 Enthaltungen wurde dem Auftrag zugestimmt, die nächsten Schritte zur Rechtsformänderung anzugehen. An der jetzigen, wiederum schriftlichen Generalversammlung entscheiden die Mitglieder konkret über die Auflösung des Vereins. --ake


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