GASTKOLUMNE
15.07.2022 MeinungenHeidi Ehrensperger, Bremgarten.
Selber singen
Selber singen – egal was, egal wo, egal wie gekonnt – ist gesund! Als ich in jungen Jahren Gesangsstunden nahm, war das extrem uncool. Ich redete mich in meiner Klasse mit dem Gesundheitsargument heraus.
Meine Gesangslehrerin Lissy Sanden schrieb 1978 in ihrem Buch «Physisches und psychisches Gesangserleben »: «Gesund-Sein ist: Tiefenentspannung, seelisches Gleichgewicht, Konzentration, Selbstbeherrschung, Bewusst-Sein, heller Sinn und fester Mut.» Und sie fügt an, wie «innerlich Belastete und äusserlich Entgleiste» mit Singen zu ihrer Selbstverwirklichung zurückfinden. Unterdessen gibt es Studien, die meine Ausreden von damals stützen. Schon lange klar ist, dass alle Menschen singen können. Nicht jeder Gesang aus der Badewanne wird im Radio übertragen werden, aber das ist auch nicht nötig. Noch nicht so verbreitet ist die Sichtweise, dass auch ältere Menschen singen können. Eine Bekannte von mir schreibt bewusst solche Kurse aus, weil sie als Sängerin weiss, dass auch ab einem mittleren Alter Singen geht und guttut.
Kürzlich erlebte ich zwei (ungeschickt gekleidete) Touristinnen, die mit mir in einer Warteschlange standen. Ich sah nur ihre Kleidung und war an einem Gespräch nicht interessiert. Als sie aber zu singen begannen, war ich elektrisiert. So kann man sich täuschen – und Stimmen verraten viel. In Chören kann man nette Menschen kennenlernen. Meine Eltern fanden sich in einem Chor, mich gibt es also nur dank des Singens. Die Chordichte im Freiamt sei überdurchschnittlich, habe ich einmal gelesen. Schön! Wenn das stimmt, haben wir viele Chancen zum gemeinsamen Singen. Ganz besonderen Respekt habe ich vor Kirchenchören. Schon am Sonntagmorgen stimmlich und überhaupt bereit zu sein – das ist eine Leistung.
Früher wollte man vielleicht noch beim Abwaschen miteinander singen – heute brummt die Geschirrspülmaschine alleine vor sich hin. Aber noch immer bieten sich für uns ungezählte Möglichkeiten zum Summen, Singen, tief Atmen, was uns Entlastung bringt. Ob das freie Singen im Treppenhaus, wo es so schön hallt, für den nachbarlichen Frieden förderlich ist, bleibt auszuprobieren.