GASTKOLUMNE
08.07.2022 MeinungenPatrick Grob, Wohlen.
Samtpfote
Als ich ihn auffinde, sitzt Zwiifli mit zerkratztem Gesicht am Boden seiner Einfahrt. Er wirkt erschöpft. Vor ihm ein mit einem Schaumbad gefülltes Becken. Neben ihm sein Puch Maxi in mehrere Teile zerlegt. Waschtag? «Ach, Gröbli, das möchtest du gar nicht wissen!» Ausnahmsweise würde ich sehr gerne wissen, was los ist, und er wird es mir bestimmt erzählen.
Angefangen habe alles vor ein paar Wochen. «Mein Nachbar, der hat sich ein neues Haustier angeschafft», schildert er. Eine Bengalkatze, eine schneeweisse. «Der nimmt die sogar an die Leine, wenn sie brünzeln muss, wie einen Hund.» Da kenn ich mich zu wenig aus. «Der behandelt die wie sein eigenes Kind.» Seine Liebe zur Katze sei grösser als die zu seinem Heidelbeerstrauch, wer sich noch an diese Geschichte erinnern mag. – «Wer dieser Katze nur ein Härchen krümmt, ist verloren», meint Zwiifli.
Kürzlich sei das Viech ihm fast vor das Töffli gerannt. «Im richtigen Moment konnte der Nachbar den Knopf an der Leine drücken und das Büsi flog wie durch Geisterhand zurück zu seinem Besitzer», erzählt Zwiifli. «Der wäre mir am liebsten mit der Mistgabel hinterhergerannt.» Ich bat den Zwiifli, mir das vorgefundene Bild zu erklären. «Diese Raubkatze ist ihm ab.» Zwiifli wirkt genervt und sein Kopf beginnt sich rot zu färben. Aus dem offenen Fenster sei sie gekrabbelt. Er sei gerade am Reparieren seines Puchs gewesen. «Ich hörte den Löli nebenan nur rufen: ‹Samantha, wo bist du? Miez, miez.› Dann gab es einen Chlapf.» Mit ernster Miene schaut mir Zwiifli tief in die Augen. Der Auspuff habe geknallt. «Das Viech stand gerade dahinter und flog mehrere Meter davon. Ich dachte: Das wars! Da kommst du nicht mehr lebendig heraus.» Er sei zur Katze gerannt und fand sie zerzaust und pechschwarz im Gebüsch wieder. «Ich rannte ins Haus, holte ein Becken mit Geschirrspülmittel und Wasser.» Er versuchte sie sauberzuschrubben. Als die Katze wieder zu sich kam, war diese nicht erfreut über die Wellnessbehandlung à la Zwiifli und fuchtelte wild um sich. Das erklärt die Kratzer im Gesicht. «Ich zweifle immer noch, ob ich lebendig aus der Geschichte herauskomme», meint er und im Hintergrund hört man immer noch: «Samantha! Miez, miez!» Ich kann euch versichern, der Katze geht es gut. Die lag während der ganzen Zeit seelenruhig daneben und leckte sich das Fell trocken.