Freundinnen
03.08.2022 MeinungenAnnemarie Keusch, Redaktorin.
Freundinnen
Es ist der Lauf des Lebens, dass Wege zueinanderfinden und sich wieder trennen. Unsere Wege starteten gemeinsam. Wir wuchsen im gleichen Dorf auf, zu dritt gar an der gleichen Strasse. Wir besuchten die gleiche Schule, waren in den gleichen Vereinen aktiv. Dass sich unsere Wege einst trennen könnten? Das hielten wir vermutlich für unmöglich. Erstmals am «Höllefäscht», an der legendären Silvesterparty in Niederwil, Singstar-Abende bei jemandem zu Hause: Wir erlebten ganz vieles gemeinsam. Wir wussten, wer als Beifahrerin das Gespräch mit der Mutter übernimmt, die uns von einem Fest abholt. Wir kauften zusammen den Stoff ein, um unser nächstes Fasnachtskostüm zu nähen, obwohl seit Jahren niemand von uns vor einer Nähmaschine sass. Kurzum, wir machten fast alles zusammen.
Aber eben, die Wege trennen sich. Die einen laufen immer noch relativ parallel, andere sind in ganz unterschiedliche Richtungen verzweigt. Lehre, Studium, Arbeit – aus Boswil rausgekommen sind nicht alle. Auch ich nicht. Nach vier Jahren in Wohlen zog es mich wieder nach Hause. Einige hat der Weg ähnlich weit gebracht, sie leben in Muri. Und andere, die kommen nur noch in die Region, um ihre Eltern zu besuchen. Ihre Heimat ist eine neue geworden. Alle haben sich weiterentwickelt, neue Freundinnen kennengelernt.
Und doch ist in manchen Momenten eben doch alles wie früher. Einmal jährlich treffen wir uns alle miteinander. Dieses Mal zum Brunch bei uns auf dem Balkon. Ein Brunch am Sonntagmorgen? So lange ist es nicht her, dass wir zu solchen Tageszeiten am Wochenende lieber nicht an Essen gedacht hätten und uns die Augen am Tisch regelmässig zugefallen wären. Aber eben, man wird älter, seriöser. Und als die Erste davon erzählt, dass sie in wenigen Wochen heiraten wird, wird mir diese Tatsache erst recht bewusst.
Wir sind erwachsen geworden, leben alle in unseren Wohnungen, haben berufliche, private Ziele. Aber, wir sind immer noch die Gleichen. Wir kichern laut, wenn wir die Geschichten von früher erzählen. Und auf den Putz hauen, das können wir auch mit knapp 30 Jahren noch wie die Jungen. Manche Dinge ändern sich eben nie. Einfach nicht mehr, wenn am nächsten Tag ein Brunch ansteht. Vernünftiger, nennt man das wohl.