Frei für die Kirschenernte

  30.06.2020 Muri

Zu Besuch in der Kirschenplantage von Stefan Frey im Murianer Gebiet Greuel

«Kirschen aus Leidenschaft». Mit diesem Slogan wirbt Stefan Frey für seine Murianer Kirschen. Dass ganz viel Herzblut in die «Chriesi» Iiesst, zeigt ein Besuch am frühen Morgen in der Plantage, wo viele feissige Hände nach den reifen, roten Früchten greifen.

Annemarie Keusch

Er hatte schon immer Freude an Bäumen. Und an den Milchkühen, die sein Vater auf dem landwirtschaftlichen Betrieb hielt, eher weniger. «Meine Leidenschaft war viel mehr bei den Kirschen», sagt Stefan Frey. Bei der Hofübergabe kam der Wechsel. Er setzt auf Mutterkuhhaltung und Kirschen. «Zwölf Jahre alt sind die Bäume.» Seit etwa zehn Jahren tragen sie jährlich Früchte. Jetzt, Ende Juli, stecken Frey und seine Kirschen mitten in der Hochsaison. Dafür hat er, der zu einem 50-Prozent-Pensum auf der Steuerverwaltung des Kantons Zug arbeitet, extra frei genommen. «Sonst ginge es nicht.»

Und auch jetzt, Frey ist auf die Unterstützung seiner Familie und vielen langjährigen Helferinnen und Helfer angewiesen. An Tagen, an denen er die Früchte gegen Mittag in Hünenberg abliefern muss, geht es um 6 Uhr los. Die reifen Kirschen wollen geerntet sein.

Sechs Wochen Hochsaison

Den Chratten um die Hüfte gebunden, legen die rund zehn Helferinnen und Helfer los. Sieben verschiedene Kirschensorten hat Frey angepfanzt. In den letzten Tagen wurden die mittleren geerntet, die frühen Sorten waren schon vorbei, die späten kommen noch. Sechs Wochen dauert die Kirschensaison. Zehn Tonnen ernten Frey und sein Team durchschnittlich von den auf 80 Aren Fläche angeplanzten Bäumen.

«Dieses Jahr dürfte die Menge niedriger sein», sagt Frey. Der Grund lag im Frost Anfang Frühling. Aber gross sind sie, prall und dunkelrot und schön zu pfücken. «Die Qualität stimmt auf alle Fälle», sagt Stefan Frey. Beschädigte, faule oder von Würmern befallene Früchte sind die grosse Ausnahme. «So ist es schön zu plücken», sagt Astrid Frey. Sie ist seit dem ersten Kirschenjahr eine von Stefan Freys Helferinnen.


«Chum, mir wei go Chrieseli günne»

Stefan Frey und seine Helferinnen und Helfer ernten jährlich zehn Tonnen Kirschen

Wer Tafelkirschen erntet, steht früh auf. Auf der Plantage von Stefan Frey starten sie zwischen 6 und 6.30 Uhr. Am nächsten Tag werden die frischen Früchte im Detailhandel verkauft. Ein wichtiges Standbein für Frey ist der Direktverkauf. Und auch beim Pfücken ndet die eine oder andere Kirsche den Weg in den Mund.

Annemarie Keusch

«Die Stiele müssen dranbleiben», sagt Astrid Frey. Ich schaue in den Chratten, der mir Stefan Frey zum Pfücken der Kirschen gegeben hat. «Die kannst du alle essen», fügt Astrid Frey an. Ich schmunzle und esse die wenigen Kirschen, die ich schon gesammelt habe. Die Früchte ohne Stiele zu ernten, das sind die Gewohnheiten vom heimischen Kirschenbaum. Dort sind sie für den Sofortverzehr oder für das Fass, dessen Inhalt später zu Kirsch gebrannt wird, vorgesehen. Hier auf der Plantage von Stefan Frey ist es anders. Die Tafelkirschen kommen direkt vom Baum in den Detailhandel.

Unterschiede zum Kirschenbaum im Garten gibt es noch mehr. Während die Bäume von Frey immer zurückgeschnitten werden und dadurch nur gut zwei Meter hoch sind, wird die Leiter nur für die obersten Früchte benötigt. Frey selbst oder langjährige Helfer übernehmen diese Arbeit. Ansonsten können die Kirschen vom Boden aus gesammelt werden. Sechs Reihen sind es, immer zwei Helfer vis-à-vis. Stefan Frey weist mich gegenüber von Astrid Frey ein. Dass beide den gleichen Namen tragen, ist Zufall, verwandt sind sie nicht, erklärt sie mir.

Vor Regen und Tieren geschützt

Die Kirschen sind gross. Müssen sie auch. Ab 24 Millimeter Durchmesser können sie im Detailhandel verkauft werden. Den besseren Preis gibts ab 28 Millimeter Durchmesser. Kleinere hängen kaum am Baum, zumindest gefühlsmässig nicht. «Die guten kommen in den Chratten, die faulen oder beschädigten auf den Boden. Wichtig ist, dass diese mit dem Fuss platt gedrückt werden», erklärt Stefan Frey. Die Fruchtfiege befalle so die Kirsche nicht und ist damit keine Gefahr für die Plantage. Überhaupt, Insekten gibt es in den mit einer Plastikkonstruktion vor Regen und mit Netzen vor Vögeln und Insekten geschützten Bäumen kaum. «Mit diesen Vorsichtsmassnahmen sind die Früchte davor geschützt, zu verfaulen oder gefressen zu werden.»

Astrid Freys Hände bewegen sich geschickt zwischen den mit vielen, grossen Blättern behangenen Äste. «Ich mache das sehr gerne», sagt die Pensionärin. Sie sei Helferin der ersten Stunde. Frey erzählt davon, dass ihre Töchter ähnlich alt seien wie Kirschen-Produzent Stefan Frey. Auch ihre Familie wohnt in Muri-Dorf. «Entsprechend kennen wir uns schon lange.» Die entstehende Kirschenplantage entging ihr nicht, als sie vor zwölf Jahren – damals noch mit Hund – im Gebiet Greuel unterwegs war. Sie ist eine der ganz treuen Seelen, seit zehn Jahren – also seit die Bäume Früchte tragen – hilft sie bei der Ernte.

700 bis 800 Stunden Arbeit

Ast für Ast suchen wir nach reifen Früchten ab. Und es hat ganz schön viele, denke ich mir. Aber Stefan Frey verneint. «Der Frost Anfang Frühling hat eine bessere Ernte vernichtet.» Mit zehn Tonnen Ertrag rechnet er am Ende der Saison – also in rund zwei Wochen. «Letztes Jahr waren es 15 Tonnen.» Die Bäume seien nicht so voller Früchte wie auch schon, dafür seien die einzelnen Kirschen schön gross. An Pfngsten ging die Saison heuer los, so früh wie noch nie. Total rund 700 bis 800 Stunden Arbeit braucht das Ernten, je nach Sorte und «je nach Tagesform von mir und den anderen Erntenden». Ich bin wohl nicht die schnellste, aber auch mein Chratten ist nach rund 20 Minuten voll. «Jetzt kannst du ihn in die Kiste leeren, die zwischen den Baumreihen verteilt sind», erklärt Astrid Frey. «Vorsichtig.»

Und es geht von vorne los. «Nicht dem Regen ausgesetzt, diese Stille, diese Aussicht.» Für Astrid Frey gehört es dazu, mit dem E-Bike frühmorgens zur Plantage zu fahren, den Chratten zu schnappen und loszulegen. «Es ist eine beruhigende Arbeit», fndet sie. Aber eine, bei der die Kommunikation nicht zu kurz kommt. «Wir haben es gut miteinander», sagt Astrid Frey. Und beim späteren Znüni sagen auch andere Helfer: «Schreiben Sie, die Stimmung sei gut.»

Viele Pensionierte helfen mit

Viele kommen Jahr für Jahr, um Stefan Frey und seiner Familie bei der Kirschenernte zu helfen. «Meist sind es Pensionierte», sagt Frey. Viele sind aus seinem privaten oder berufichen Umfeld. «Suchen müssen wir die Helferinnen und Helfer nicht, aber es gelte, die Ohren offenzuhalten – gerade wenn jemand pensioniert werde.» Zwischen acht bis zwölf Leute stehen in der Plantage, wenn die Früchte gegen Mittag ins Verteilzentrum geliefert werden müssen. Später kommen sie nach Sursee in die Obsthalle der Fenaco, wo sie in einem Wasserbad gereinigt und in Schalen verpackt werden.

Entsprechend ist noch vor dem Mittag Schluss mit Kirschenpfücken in der Plantage. «Manchmal um 10.30 Uhr, manchmal um 11 Uhr», sagt Astrid Frey, angesprochen auf ihren Feierabend. «Er fragt immer, wie lange wir Zeit haben.» Sie hat jeweils bis 11.15 Uhr zeit. «Nachher muss ich nach Hause, Mittagessen kochen», sagt sie lachend. Überhaupt, Astrid Frey erzählt gerne, nicht nur von der ihr zusagenden Kirschenernte, sondern auch von ihrem Mann, ihren Kindern, ihren Enkeln. «Alle mögen Kirschen», sagt sie.

Verpiegt zurück in die Bäume

Ein Drittel seiner Kirschen verkauft Stefan Frey direkt an die Kundschaft. «Gerade in dieser Saison läuft der Direktverkauf super, wohl auch als Folge des Coronavirus.» Nicht selten sei der Stand schon kurz nach dem Mittag leer gekauft.

Mittlerweile habe ich den dritten Chratten geleert. «Pause», ruft Astrid Frey. Kaffee, Kuchen, Sandwich – wer feissig ppückt, bekommt Hunger und Durst. Vergnügt sitzen die Helferinnen und Helfer mit Stefan Frey an der Tischgarnitur mitten in der Plantage. «Die Kaffeelöffel gingen vergessen», sagt Frey. Kein Problem, ein kleines Ästchen schafft Abhilfe beim Umrühren des Kaffees. «Wir haben ein tolles Team beisammen», sagt Stefan Frey. «Immer nach dem Ernten dürfen wir Kirschen mit nach Hause nehmen», sagt Astrid Frey. Der süsse Lohn. Auch auf meinem Beifahrersitz stehen beim Nachhausefahren zwei Schälchen frische Kirschen, Murianer «Kirschen aus Leidenschaft».


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