Der Vorbildfunktion bewusst

  23.09.2022 Wirtschaft

Umfrage zur Energiekrise und den getroffenen Massnahmen bei sieben grösseren Freiämter Gemeinden

Was machen die Gemeinden, um den Energieverbrauch zu reduzieren, und wie gehen sie mit der Krise um? Die Gemeinden Wohlen, Bremgarten, Muri, Berikon, Boswil, Villmergen und Zufikon geben Auskunft.

Sabrina Salm

Die drohende Strom- und Gasmangellage betrifft auch die Schweizer Kommunen. Der Bundesrat hat deshalb eine Sensibilisierungskampagne lanciert. Die Bevölkerung und die Wirtschaft sollen sensibilisiert werden, damit sie weniger Energie verbrauchen. Die Kommunen nehmen ebenfalls ihre Verantwortung wahr und tragen die Bundeskampagne mit, informieren die Zielgruppen über mögliche Energiesparmassnahmen und sorgen selber für Einsparungen.

Sparpotenziale eruieren

Die Energiesparkampagne für die Bevölkerung setzt beispielsweise darauf, die Raumtemperaturen zu reduzieren. Diese Massnahme wird auch in den Freiämter Gemeinden umgesetzt. «Die Raumtemperatur in sämtlichen öffentlichen Gebäuden wie Schulen, Kindergärten, Gemeindeverwaltung, Werkhof und weitere wird generell um 2 Grad gesenkt», teilt die Gemeinde Boswil mit. Auch die Gemeinde Wohlen unterstützt diese Massnahme. In Villmergen wie in Berikon wird die Senkung der Raumtemperaturen ebenfalls geprüft.

Wo noch gespart werden kann, wird weiter geschaut. «Die Geschäftsleitung und der Hausdienst sind beauftragt, mögliche Sparpotenziale in ihren Aufgabenbereichen zu eruieren», sagt Beat Küng, Gemeinderat aus Muri.

Tempo erhöhen

Was bei vielen Gemeinden auch diskutiert wird, ist der Umgang mit der Strassenbeleuchtung. «Die Gemeinde Zufikon plant, in den nächsten Jahren die gesamte öffentliche Beleuchtung auf modernste LED-Technologie umzurüsten. Dies wird uns mittels geringerem Energieverbrauch der Technologie sowie der Möglichkeit, die Beleuchtung zu dimmen, helfen, unseren Energieverbrauch zu reduzieren», berichtet etwa der Zufiker Gemeindeammann Daniel Stark. Schneller vorankommen mit dem Ersatz der alten Strassenbeleuchtungen auf LED möchte die Gemeinde Muri. «Im Rahmen des Budgets werden noch diesen Winter Strassenlampen durch LED ersetzt», so Beat Küng. Lampen in öffentlichen Gebäuden sollen in der Stadt Bremgarten und in den Bürogebäuden der Gemeindeverwaltung Villmergen auf LED umgerüstet werden.

Strom sparen versus Sicherheit

Auch die Reduktion der Zeitdauer der Strassenbeleuchtungen wird unter anderem in Muri als Massnahme geprüft. Küng: «Ein heikles Thema.» Denn hier wird darüber diskutiert, ob dabei der Sicherheitsaspekt vernachlässigt werden könnte. Die Gemeinde Muri ist im Gespräch mit Energie Freiamt. «Wir denken daran, nach Möglichkeit und unter Berücksichtigung der Sicherheit die Anzahl eingeschalteter Strassenleuchten zu reduzieren», erklärt auch der Villmerger Gemeinderat Daniel Füglistaler. Auch in Berikon wird darüber diskutiert, ob die Beleuchtung öffentlicher Gebäude und Plätze aus Stromersparnis reduziert werden soll. Vizeamtsfrau Rosemarie Groux: «Dies in Abwägung aller Vor- und Nachteile und unter Miteinbezug der Tatsache, wie sich das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung, das Littering und das Vandalismusproblem verändern könnten.» Beschlossene Sache ist die Reduktion der Strassenbeleuchtung bereits in Boswil. Vizeammann Jakob Dolder hat bei der Elektrizitätsgenossenschaft Boswil-Bünzen (EGB) abgeklärt, dass die Strassenbeleuchtung grundsätzlich auf 50 Prozent reduziert werden kann. «Der Gemeinderat beschliesst diese Reduktion, wo es regulatorisch und technisch möglich ist, ab dem 15. Oktober», so Dolder. Die EGBB wird mit der Umsetzung beauftragt.

Schon länger auf Kurs

Energiesparen und -verschwendung ist in den Gemeinden Bremgarten, Muri, Wohlen, Boswil, Villmergen, Zufikon und Berikon schon länger ein Thema. Muri hat schon seit Jahren eine Kommission Umwelt und Energie im Einsatz. «Wir sind selber schon länger dabei, verschiedene Sachen auszuprobieren, um den Energieverbrauch zu reduzieren.» Mit dem Muri Energie Forum habe die Gemeinde einen wichtigen Partner und eine gute Zusammenarbeit. Im Energieleitbild hat die Gemeinde Wohlen entsprechende Leitsätze und Ziele festgehalten und setzt diese laufend um. «Seit einigen Jahren liefert die Energiebuchhaltung, welche im Geschäftsbericht dargelegt wird, wichtige Grundlagen für die Erkennung der Verbesserungspotenziale», sagt Gemeindeammann Arsène Perroud. «Insbesondere die stetige Sanierung der Bestandesliegenschaften und die Berücksichtigung entsprechender Baustandards bei Neubauten bringen wichtige Verbesserungen.» Wie Stadtrat Daniel Sommerhalder sagt, hat die Stadt Bremgarten sich auch schon vor der Energiekrise mit diesen wichtigen Fragen zum Energieverbrauch auseinandergesetzt.

Auf Photovoltaikanlagen bei öffentlichen Gebäuden, Holzschnitzelheizungen oder andere erneuerbare Energien setzt man in den Freiämter Gemeinden schon länger. So auch in Wohlen, Muri, Zufikon, Bremgarten, Boswil und Berikon, wo auf Solaranlagen, neue Technologien und Holzschnitzelheizungen gesetzt wird. Auch die Gemeinde Villmergen betreibt bereits mehrere eigene PV-Anlagen. Erst kürzlich ging eine weitere gemeindeeigene Anlage im Industriegebiet mit 270 kW Peak und einer Jahresproduktion von 258 000 kWh ans Netz (entspricht dem jährlichen Verbrauch von rund 60 Wohneinheiten). Der Gemeinderat hat im Jahr 2021 eine Projektgruppe einberufen, um weitere Anlagen auf den gemeindeeigenen Dächern zu prüfen. Weiter wird an der diesjährigen Herbstgemeindeversammlung den Stimmbürgern ein Antrag für die Realisierung eines neuen Wärmeverbunds Dorf ab 2024/2025 unterbreitet. Die dazu benötigten Holzschnitzel werden vom regionalen Forstbetrieb Rietenberg bezogen.

Sparen und nachhaltig wirtschaften

Die Einwohnerinnen und Einwohner ihrer Gemeinde sensibilisieren, Tipps geben und als Vorbild fungieren, sei zurzeit noch mehr gefragt als vorher. «Die Stadt Bremgarten sieht sich klar in einer Vorbildfunktion», so Daniel Sommerhalder. Der Energieverbrauch soll kontinuierlich noch mehr gesenkt werden. Für dessen Kontrolle soll auch ein «LoRaWan» für die Kontrolle eingesetzt werden. Long Range Wide Area Network ermöglicht ein energieeffizientes Senden von Daten über lange Strecken.

Vorausschauend möchte die Gemeinde Muri eine Teilzeitstelle zum Thema Nachhaltigkeit und Energie schaffen. Darüber sollen die Stimmbürger an der kommenden Wintergemeinde abstimmen. «Eine Fachperson, bei der alle Massnahmen zusammenlaufen, ist langfristig gesehen besser», so Beat Küng. «Energie sparen und nachhaltig wirtschaften ist für uns sehr wichtig», so Rosmarie Groux aus Berikon. Aus diesem Grund wurde in diesem Jahr die Kommission Energie und Nachhaltigkeit gegründet mit dem Ziel, das Energiestadtlabel zu erreichen. Dazu ist im Budget 2023 Geld eingestellt. Die Startsitzung erfolgt nächste Woche am 28. September. «Unabhängig von der aktuellen Energiekrise ist es eine generelle Pflicht der öffentlichen Hand, möglichst wenig Energie zu verbrauchen», ist der Wohler Gemeindeammann überzeugt.

Dunkle Adventszeit?

Vorausschauend auf die Adventszeit haben sich die meisten Gemeinden schon ihre Gedanken gemacht. Ein Verzicht auf die Weihnachtsbeleuchtung wird in Wohlen in den nächsten Wochen besprochen. Ob die Weihnachtsbeleuchtung komplett weggelassen wird oder einfach stark reduziert, diskutiert die Gemeinde Villmergen. Möglich wäre, dass zum Beispiel nur der Baum und der Dorfplatz beleuchtet werden. Auch Bremgarten möchte, alleine wegen dem Christchindlimärt, nicht gänzlich auf die Weihnachtsbeleuchtung verzichten. Wie und wo die Lichter die Adventszeit erhellen werden, wird noch geprüft. Bereits entschieden hat sich Boswil: «Der Gemeinderat verzichtet in diesem Jahr generell auf die Weihnachtsbeleuchtung», erklärt Jakob Dolder. In Berikon wird sich hingegen nichts ändern – man installiert seit einigen Jahren die alternative Weihnachtsbeleuchtung, welche ohne zusätzlichen Strom auskommt.

 


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