Besoffene Maja
26.07.2022 MeinungenStefan Sprenger, Redaktor.
Ein Schuss, ein Tor, ein Schrei. Ich drehe mich um, stosse ein lautes «Jaaa!» raus in die Luft. Eine Biene fliegt mir in den Mund. Ein Stachel, ein Schmerz – und wieder ein Schrei. Falsche Zeit, falscher Ort, für uns beide. Die Biene stirbt. Und ich renne im Vollsprint zur Apotheke. Der Stachel sitzt direkt neben der Uvula (Zäpfli). Er wird entfernt. «Bisschen geschwollen», heisst es. «Wird schon wieder», heisst es. Sache erledigt? Nein. Stunden später habe ich Mühe mit dem Atmen. Der Notfallarzt knallt mir eine Spritze ins Gesäss. Dann wirds besser. Diese schmerzhafte Erinnerung passierte auf dem Tschuttiplatz Bleichi in Wohlen im Sommer 1998.
Soweit ich mich erinnere, haben mich in meinem Leben nur immer Bienen erwischt. Und nie eine Wespe. Aber trotzdem sind mir die (vegetarischen) Bienen viel sympathischer als die (fleischfressende) Wespe. Für mich gibt es nur ein Gelb-Schwarz. Wespen, die fliegenden Schleifköpfe der Natur, die jede Grillparty crashen können und besonders in der aktuellen Zeit dazu führen, dass Menschen sich im Zick-Zack ducken und mit der Hand wie wild am Kopf herumwedeln? Nein, danke. Diese nervenden und aggressiven Wespen haben stets die Frechheit, einfach nicht abzuhauen. Da ist mir die friedliche Biene Maja einiges lieber, auch wenn es damals mit einer Spritze in die Pobacke endete.
Die Anthophila (lateinisch für Biene) ist einzigartig. Albert Einstein sagte schon: «Wenn die Biene von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, keine Menschen mehr.» Ein genialer Fakt: Um ein Glas Honig (500 Gramm) zu füllen, legen Bienen durchschnittlich 100 000 Flugkilometer zurück – das ist 2,5 Mal um die Erde. Ebenfalls grandios: Bei hohen Temperaturen kann im Blütennektar Alkohol entstehen. Wenn sich Bienen daran bedienen, werden sie betrunken. Ihr Zustand ist dann ähnlich wie bei uns Menschen: Sie sind unkoordiniert und torkeln herum. Vielleicht war das Ding, das mir beim Torjubel in den Mund geflogen ist, sturzbetrunken. Die besoffene Biene Maja. Übrigens: Beduselt im Bienenstock chillen geht nicht. Die Türsteher (Wächterbienen) lassen angeheiterte Bienen erst wieder nüchtern rein.