Alles streng geregelt

  30.09.2022 Muri

Zita Langenstein über die kaiserliche Etikette

Das Leben von Kaiserin Zita war von vielen strengen Regeln geprägt.

Zita von Langenstein absolvierte die weltberühmte Butler-Schule in London und war nach Bedarf im Dienste von Queen Elizabeth II. Kaum einer kennt sich schweizweit besser aus, wenn es um Etikette und Manieren geht.

Das Wiener Hofzeremoniell galt als eines der konservativsten und besonders traditionsbewusst. Kaiserin Zita konnte dank der gewonnen Anerkennung da und dort eine Regel brechen. «Sie war politisch sehr interessiert und nahm auch Einfluss auf Kaiser Karl. Dieser schätzte ihre Meinung sehr. Viele Entscheidungen trafen sie gemeinsam. Das war natürlich ein Bruch des Protokolls», sagt Zita Langenstein. Heute noch gehören Protokolle zur Diplomatie. England beispielsweise orientiert sich sehr an dem spanischen Hofzeremoniell. --sus


Küssen verboten

Eine Audienz bei der Kaiserin mit Zita Langenstein

Zita Langenstein oder auch bekannt als «Zita The Butler» ist schweizweit der Inbegriff guter Manieren und des Wissens um Etikette. Anlässlich der Ausstellung des Privatarchivs der Kaiserin Zita «Für Gott, Kaiser und Kinder» hielt sie einen spannenden Vortrag rund um die kaiserliche Etikette und mehr.

Susanne Schild

«Heute kommt Zita zu Zita», so Heidi Holdener, Geschäftsführerin Murikultur. Anlässlich der Ausstellung «Für Gott, Kaiser und Kinder» hielt Zita Langenstein einen Vortrag rund um das Thema «Etikette». «Ich könnte drei Tage darüber reden», so Zita Langenstein. Denn Zita, nach der sie übrigens benannt wurde, sei schon eine Liga für sich. «Teilweise brach sie das Protokoll schwer. Sie erlaubte sich beispielsweise, in der Politik mitzudenken.»

«Das Leben von Kaiserin Zita fasziniert viele und viele wären vielleicht selbst gerne Kaiserin oder Königin», sagte Heidi Holdener. Doch neben einer dichten Agenda hätten unzählige strenge Regeln das Leben der Kaiserin geprägt. «In der Realität ist es sehr anstrengend, eine Königin, ein König zu sein. Der Anspruch an das eigene Verhalten ist extrem hoch, man muss in jeder Situation exakt wissen, wie man sich zu benehmen hat. Wenn man weiss, was ein König wirklich macht, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass das jemand möchte», bestätigt Zita Langenstein. «Alles folgt immer sehr strengen Regeln.»

Die konservativen Wiener und die frechen Franzosen

Das Hofzeremoniell, auch Hofetikette genannt, regelte die diversen am Hof eines Herrschers stattfindenden Zeremonien und überhaupt alle am Hofe vor sich gehenden Handlungen, so etwa die Vorgänge bei Vermählungen, Begräbnissen, Huldigungen, Audienzen und dergleichen.

Der Ursprung des Ganzen ist das spanische Hofzeremoniell. «Es ist das strengste», so Zita. Es wurde am Wiener Hof bis zu Kaiser Joseph II. praktiziert. Das französische Hofzeremoniell war unter Ludwig XIV. vorherrschend. Es sei im Vergleich zum spanischen Hofzeremoniell fast «frech», so Zita Langenstein. «Es gibt hier eine extreme Betonung von Lust, Essen und Trinken. Eine gewisse Unsittlichkeit ist darin integriert.» England würde sich sehr an dem spanischen Zeremoniell orientieren. Daher hätte das Begräbnis von Kaiserin Zita auch viele Parallelen mit dem der Queen gehabt.

Das Wiener Hofzeremoniell galt als besonders konservativ. Dieses «Gedächtnis des Hofes» wurde von Generation zu Generation überliefert, die zuständigen Fachleute durchliefen eine jahrelange Schulung. Nach 1918 ging mit den eingeweihten Personen das Wissen verloren, das kaiserliche «spanische Hofzeremoniell» wurde zu einem Mythos.

Gleichheit und Ungleichheit

Die Gleichheit der Menschen ist heute ein fundamentales Menschenrecht. In der feudalen Gesellschaftsordnung war die Ungleichheit jedoch systemimmanent. Die Spitzen der aristokratischen Eliten am Hof legten zwischen sich und den Rest der Menschheit eine unüberwindliche Schranke. «Das blaue Blut war bei Karl und Zita geradezu ideal», sagt Zita Langenstein. Um als Mitglied der «Ersten Gesellschaft», des exklusivsten Zirkels des Adels bei Hofe, zu gelten, musste man auf mindestens 16 hochadelige Vorfahren, acht väterlicherseits und acht mütterlicherseits in ununterbrochener Reihenfolge zurückblicken können.

Gruss, Einladung und Pünktlichkeit

Erst wenn man von einem Monarchen gegrüsst wird, grüsst man zurück. Dabei steht man still, pflegt keinen Sichtkontakt und reagiert erst, wenn man angesprochen wird. Wird man angesprochen, ist der Titel zu nennen und auf den Gesprächsinhalt reagiert.

Auch innerhalb der Familie wird sich verbeugt. Umarmungen und Küsse sind nicht erlaubt. Niesen ist peinlich, Pünktlichkeit ist wichtig. «Fünf Minuten vor der Zeit sind allerdings nicht immer des Königs Höflichkeit», weiss die Expertin. Gerade bei privaten Einladungen sollte der Gast auch heute noch weder zu früh noch zu spät erscheinen. Es hängt von der Formulierung ab. Lautet die Einladung «20 Uhr zum Abendessen», dann ist man um 20 Uhr an der Tür. Eine bis zwei Minuten darf man zu spät kommen, sonst sollte man sich melden und die Verspätung ankündigen.

Eine Einladung wird verdankt und ein Geschenk wird immer gemacht. «Das ist Pflicht.» Das Geschenk passt zum Beschenkten. «Ich finde es übrigens wunderbar, wie die Queen das macht – ja, auch die Queen wird eingeladen: Sie schickt immer eine Pf lanze oder einen Blumenstrauss voraus. So entsteht für ihre Gastgeber kein Stress und durch die schöne Überraschung ist die Stimmung von Beginn an gut», weiss Zita Langenstein.

Abstand halten

Zur Zeit von Kaiserin Zita war der Abstand viel grösser. Heute sind es mindestens 60 Zentimeter. Der Mensch fühlt sich unwohl, wenn eine ungewollte Nähe entsteht. «Daran denken, wenn man in einer Schlange steht», sagt Langenstein.

Noch heute werden Tischmanieren zu Hofe vorgelesen. «Man solle nicht zu viel tringen, sodass man nicht mehr geradeaus gehen kann», stand beispielsweise bei den Habsburgern geschrieben. Der Gastgeber hatte immer den Vortritt. Gegessen wurde im Tempo des Kaiserpaares. Die Serviette war auch da, um den Mund abzutupfen. Aber auch, um den Schweiss zu entfernen, die Nase zu putzen. Erst wenn sich das Kaiserpaar verabschiedet hatte, verabschiedeten sich die Gäste.

«Auch heute gilt bei Einladungen: man isst, was auf den Tisch kommt», sagt Zita Langenstein. «Und man lobt das Essen.» Sätze wie «Das war jetzt nicht so meines» oder schon beim Hereinkommen zu sagen, dass man nur wenig esse, weil man gerade am Abnehmen sei und so weiter, das seien absolute No-Gos.


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