Abschied fällt schwer
30.09.2022 IslisbergRuth Bohler gibt nach 35 Jahren den Dorfladen Sennerei ab
Seit 1987 betreibt Ruth Bohler den Dorfladen «Sennerei Islisberg». Heute übergibt sie den Schlüssel ihrer Nachfolgerin. Sie wird ihre Kundschaft vermissen. Bohler konzentriert sich nun auf die «Sennerei Arni», in welcher sie seit 35 Jahren parallel zu Islisberg Artikel des Alltags verkauft.
Roger Wetli
«Der Abschied fällt mir schwer. Ich kenne die allermeisten Kunden persönlich. Einige kaufen bei mir seit 35 Jahren ein. Sie nicht mehr regelmässig zu sehen, bricht mir fast das Herz», ist Ruth Bohler den Tränen nahe. Die quirlige Frau mit Jahrgang 1960 gehört seit 1987 zum Inventar der «Sennerei Islisberg». «Ich gebe sie nicht auf, weil der Laden nicht mehr rentiert hat. Ich verdiente hier immer. Aber der Wechsel der Frischprodukte wie Brot, Gemüse und Fleisch zwischen den Sennereien Arni und Islisberg fällt mir immer schwerer. Diese Unruhe hängt an.» Ihr Kopf und ihr Herz hätten weitermachen wollen, ihr Körper aber nicht, bedauert sie.
Ruth Bohler konzentriert sich ab diesem Monat auf die Sennerei Arni. Hier werden die Produkte angeliefert, hier wohnt sie zusammen mit ihrem Mann Markus, die Wege sind kürzer. «An den Öffnungszeiten in Arni schraube ich vorerst nicht. Je nachdem könnten sie aber durch die frei gewordenen Kapazitäten länger werden.» Sie schätzt es hoch ein, dass sie die Sennerei Arni behalten kann. «Es wird so kein abrupter Stopp werden», ist sie froh.
Nicht nur einkaufen
Als Ruth Bohler 1987 die Läden in den Sennereien Arni und Islisberg eröffnete, waren diese an die Milchannahme gekoppelt. «Entsprechend hatte ich jeden Tag geöffnet. Und das viele Jahre lang.» Die Landwirte brachten die Milch in die Sennerei, von wo aus die Aargau Milchzentrale das weisse Gut zentral abholte. Das wurde bis 1998 gehandhabt. «Die Läden waren entsprechend um die Milchannahmegeräte angeordnet. Ich wusste aber den knappen Platz zu nutzen», lacht sie. Von jeher bot sie das ganze Alltagssortiment an. Dazu zählen neben Lebensmitteln auch zum Beispiel Batterien oder Putzmittel. «Also alles für den täglichen und nächtlichen Gebrauch», schmunzelt Bohler. Bald habe sie in etwa gewusst, was die Kundschaft will und entsprechend das Sortiment aufgebaut. «Und auf Wünsche versuchte ich immer einzugehen, so gut wie möglich. Dazu zählten zum Beispiel spezielles Mehl oder spezifische Kaffeesorten.»
Als 1998 in Islisberg die Milchlieferungen eingestellt wurden, erhielt Ruth Bohler mehr Platz. «Das Gebäude gehörte der Milchgenossenschaft und wurde 2010 von der Gemeinde gekauft. Ziel war es, dass das Lokal weiterhin ein Laden sein soll», weiss sie. Wichtig für den Laden war auch immer das Bänklein, das direkt vor der Ladentüre steht. «Hier wurde viel gesprochen, gelacht, diskutiert. Könnte das Bänklein reden, würde es viele Geschichten erzählen.» Aber auch sie erfuhr vieles. «Wir sassen zum Teil noch lange in den Abend hinein auf diesem Bänklein. Ich fühlte mich in der Sennerei Islisberg immer zu Hause. Es ging hier familiär und freundschaftlich zu und her. Der eigentliche Einkauf war gar nicht so zentral», lacht sie.
Mit einer Tafel habe sie jetzt nach einer Nachfolge gesucht. Es hätten sie zwei Personen interessiert. Dass der Laden jetzt mit der Islisbergerin Marina Stevanovic weitergeführt wird und er so erhalten bleibt, bedeutet ihr sehr viel. «Wäre er nach mir für immer geschlossen worden, hätte ich es wohl nicht übers Herz gebracht aufzuhören und bis zum Umfallen weitergemacht», erklärt sie mit grosser Ernsthaftigkeit. Entsprechend wünscht sie ihrer Nachfolgerin einen guten Start und dass diese hier Erfüllung finde.
Für einen Schwatz vorbeikommen
Ruth Bohler verspricht, auch weiterhin ab und zu nach Islisberg zu kommen. «Dies werde ich aber nicht tun, um Marina Stevanovic zu kontrollieren, sondern weil ich die Leute vermisse. Ich hoffe, dass meine Islisberger Kunden meiner Nachfolgerin ebenfalls die Treue halten. Natürlich dürfen sie auch gerne in der Sennerei Arni für einen Schwatz vorbeikommen und dann ihre Einkäufe in Islisberg machen.»
Neues Konzept
Marina Stevanovic führt die Sennerei Islisberg ab diesem Monat. Eröffnen wird sie den Laden voraussichtlich nächste Woche. «Ich werde hochklassige Lebensmittel wie Fleisch, Käse, Antipasti und frische Ravioli anbieten», erklärt sie. «Natürlich gibt es auch abgepackte Lebensmittel und weitere Produkte des täglichen Bedarfs. Zudem biete ich einen Catering Service an.» Stevanovic kommt aus der Lebensmittelbranche und lebt seit zwei Jahren in Islisberg. «Das ist ein grosser Vorteil für die Ladenführung.» Die Sennerei wird sieben Tage die Woche offen haben, von Montag bis Freitag jeweils zwischen 17 und 20 Uhr, am Samstag und Sonntag von 8 bis 12 Uhr. --rwi