5 Wochen
12.07.2022 MeinungenChregi Hansen, Redaktor.
Ach, was war das für ein Gefühl früher. Der erste Tag der langen Sommerferien. Fünf Wochen abschalten. Kein Deutsch, keine Mathematik, keine Hausaufgaben. Einfach nur sein. Wobei … Spätestens nach der ersten Woche war es mir meist schon langweilig. Die Freunde waren alle mit ihren Familien weggefahren, und wandern oder Minigolf mit der Familie ist ab einem gewissen Alter eben auch nicht mehr reizvoll. So viel Ferien ohne seine Kollegen konnten ganz schön lang sein.
Trotzdem: Fünf Wochen Ferien am Stück – das ist schon etwas Besonderes. Das ist mehr Urlaub, als ein Grossteil der Erwachsenen im Jahr hat. Viele sind schon froh, wenn sie mal zwei Wochen aufs Mal nehmen können. Doch da bleibt wenig Zeit zum Abschalten. Kaum hat man sich aus dem Arbeitsalltag ausgeklinkt, geht es schon wieder zurück. Da sehnt man sich also während Monaten nach den freien Tagen. Und kaum sind sie da, sind sie wieder vorbei. So viel wollte man erleben – und setzt sich damit selber unter Stress. Wie sagte ein gescheiter Mann einst so treffend: «Viele jagen im Urlaub nach Erholung und sind anschliessend ganz erledigt.»
Tatsächlich verplanen viele ihren Urlaub bis ins Detail. Sie wissen vor der Abreise, in welchem Restaurant sie eine Woche später essen. Haben bereits Tickets für dieses Museum und jenes Musical. Der Ausflug ins Landesinnere ist auch gebucht. Und natürlich hat man auf Street View die ganze Umgebung erkundigt und weiss genau, wo man den besten Espresso kriegt. Als ich einst auf Teneriffa war, hätte ich sehr gern den berühmten Vulkan bestiegen. Dafür hätte ich aber schon Wochen vorher reservieren müssen. Doch was weiss ich, worauf ich am Dienstag in der zweiten Ferienwoche Lust habe – auf eine Wanderung? Meist weiss ich im Urlaub nicht mal, was ich morgen vorhabe.
Das ist der Vorteil des Älterwerdens. Früher waren mir fünf Wochen ohne Programm ein Graus. Und vermutlich auch den meisten Eltern, die ihre Kinder irgendwie beschäftigen müssen. Heute geniesse ich das Privileg, einfach mal nichts zu müssen. Zwar nicht gleich fünf Wochen – aber dieses Jahr immerhin deren vier. Man muss sich doch langsam vorbereiten auf die Zeit nach der Arbeit.